Du hast dich noch nicht entschieden, ob du in den MINT- oder den Wirtschaftsbereich einsteigen möchtest? Warum nicht beides? Das Wirtschaftsingenieurwesen verbindet die Fachgebiete und vermittelt breitgefächertes Fachwissen durch seine Multidisziplinarität. Axel Haas, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Wirtschaftsingenieure e.V. (VWI), stellt euch den Studiengang vor.
Sommersemester 1927: An der Technischen Hochschule Berlin – heute Technische Universität Berlin – starten 51 Student:innen in einem vollkommen neu konzeptionierten Studiengang: „Wirtschaft und Technik“.
Der geistige Vater des Studienganges, Professor Willi Prion (1879 – 1939), hatte einen einfachen Gedanken: „In der Praxis liegen Wirtschaft und Technik eng beieinander; […]. Nur mithilfe der Technik ist es der Wirtschaft möglich, ihre Aufgaben zu erfüllen. Andererseits kann die Technik den Inhalt ihres Könnens nur durch die Wirtschaft ausschöpfen.“
Seither hat sich viel getan. Das im Laufe der Zeit als „Wirtschaftsingenieurwesen“ bekannte Studium unterlag anfangs starker Kritik. So meinten, die Wirtschaftswissenschaftler, dass die Absolvent:innen „nichts richtig können“. Die Ingenieure fanden ähnlich „zugetane“ Worte. Um dem entgegenzuwirken, wurde im Laufe der Jahre das sogenannte „Berliner Modell“ an der Technischen Universität Berlin entwickelt. Die meisten Studiengänge in Deutschland orientieren sich heute hieran.
In diesem Modell werden Wirtschaft und Technik im Wesentlichen zu gleichen Teilen (40 %) gelehrt. Ein sog. Integrationsbereich vervollständigt die Ausbildung mit einem Anteil von 20 Prozent. Letzterer beinhaltet beispielsweise Fächer wie Projektmanagement, Operation Research oder auch interkulturelle Kompetenz. Dieses auf Multidisziplinarität ausgelegte Modell, ermöglicht es den Absolvent: innen zwei „Sprachen“ zu sprechen. Die der Ingenieur:innen und die der Betriebswirt:innen.
Es kommt ihnen also eine Vermittlerrolle im Unternehmen zu. Eine oftmals unschätzbare Fähigkeit, die gerade in produzierenden Unternehmen – zum Beispiel Automobilbau, IT-Technologie oder auch in der Logistik – von enormem Wert ist. Auch stehen einem die Türen Richtung Beratung oder Wirtschaftsprüfung offen; der öffentliche Dienst benötigt ebenfalls dringend Fachkräfte, die „beide Sprachen“ sprechen.
Der Wirtschaftsingenieur ist somit ein Allrounder, der sich nicht nur in die Erfordernisse der jeweils anderen Seite hineindenken kann, sondern auch deren Sprache spricht. Dies geht in der Regel mit einer Führungsposition einher.
Mittlerweile kann der Studiengang an über 33 Universitäten, 112 Fachhochschulen und 13 Berufsakademien allein in Deutschland studiert werden. Es können hierbei die Ausrichtungen technisch- oder wirtschaftswissenschaftlich-orientiert unterschieden werden. Sie determinieren, ob im sogenannten Integrationsbereich mehr technische oder mehr betriebswirtschaftliche Fächer zu belegen sind.
Die wichtigste Stellschraube für das Studium ist jedoch die technische Fachvertiefung. So bildet sie doch die Kernkompetenz eines jeden Wirtschafts- ingenieurwesen Studierenden. Neben klassischen ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen wie Maschinenbau, Elektrotechnik oder Bauingenieurwesen sind auch Ausrichtungen wie IT, Logistik oder Gesundheitstechnik im Angebot der Hochschulen.
Allen Vertiefungsrichtungen ist gemein, dass Zukunftsthemen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit in der Ausbildung ein wesentlicher Bestandteil sind. Letztere orientiert sich an den 2015 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen aufgestellten 17 Nachhaltigkeitszielen (SDG). Für Wirtschaftsingenieur:innen ist die Abschätzung von Folgen einer technischen Entwicklung – Technikfolgenabschätzung – dabei besonders wichtig.
Autor Dipl.-Ing. Axel Haas hat nach einer Bankausbildung an der Technischen Universität Berlin Wirtschaftsingenieurwesen – technische Fachrichtung „Maschinenwesen“ – studiert. Im Anschluss war er bei PricewaterhouseCoopers in der Wirtschaftsprüfung tätig. Nachfolgend hat er in unterschiedlichen Projekten an Hochschulen sowie im IT-Consulting gearbeitet. Seit 2016 ist er Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Wirtschaftsingenieure e.V.
So sollte die „Soziale Innovation“, also das entwickelte Produkt, immer positiv sein und die Gesellschaft nachhaltig in gewünschter Weise beeinflussen. Beispiele sind hier das Internet oder auch Smartphones. Sie haben die Gesellschaft maßgeblich beeinflusst und einer breiten Masse Wissen leicht zugänglich gemacht.
Den Wirtschaftsingenieur:innen kommt dabei eine zentrale Rolle zu. So können sie einerseits die technische Seite verstehen, aber auch einen potenziellen wirtschaftlichen Erfolg bewerten, ohne den diese Innovation nicht beim Verbraucher und der Gesellschaft bestehen kann.
Wirtschaftsingenieur:innen haben durch diese Fähigkeiten exzellente Berufsaussichten – national wie international. Doch was sind die Erfolgsfaktoren für den Arbeitsmarkt? Neben den rein fachlichen Kenntnissen sind die persönlichkeitsspezifischen Merkmale ein wichtiger Aspekt. Die oftmals zitierten „Soft Skills“ werden bereits während des Studiums durch Projekt- und Gruppenarbeiten trainiert.
Auch wird dies durch außeruniversitäres Engagement, zum Beispiel in Hochschulgruppen oder Nebenjobs, geschult. Praktika im In- und Ausland sind teilweise fester Bestandteil des Studiums und vereinen Wissensvermittlung mit Soft Skills.
Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass immer alles glattläuft im Studium: Ich habe die ein oder andere Prüfung doppelt schreiben müssen und mich zwischendrin auch gefragt, ob ich das Richtige studiere. Am Ende bleibt aber ein unheimlich toller Studiengang, der einem hilft die Welt ein bisschen besser zu verstehen. Angefangen von den technischen Herausforderungen, die Unternehmen meistern und vom Verbraucher als selbstverständlich wahrgenommen werden, bis hin zu komplexen wirtschaftswissenschaftlichen Zusammenhängen.
Man kann mitreden und mitdenken. Es macht Spaß, ein bisschen mehr zu wissen und in sein tägliches Handeln miteinbeziehen zu können. Klingt ein wenig hochtrabend, aber studiert selbst Wirtschaftsingenieurwesen, dann seht ihr, was ich meine: Proof of concept.
Über den Verband Deutscher Wirtschaftsingenieure e.V.
Insgesamt sind über 6.000 Wirtschaftsingenieur:innen im Verband organisiert. Neben den bereits genannten Aktivitäten kümmern wir uns um die Qualitätssicherung und Weiterentwicklung des Studiums und die Vertiefung internationaler Beziehungen. Der VWI unterstützt an über 40 Standorten mit unseren Hochschulgruppen. Über 2.000 Studierende stehen dir mit Rat, Tat und Fun-Events zur Seite.
Mehr Infos zum Studiengang gibt es hier.
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