Krankenhäuser setzen beim Kampf um ärztliches Personal auf Imagekampagnen und die Ästhetik des Hauses. Doch es sind andere Aspekte, die junge Mediziner an Kliniken binden. Was wirklich zählt, sind attraktive Weiterbildungsangebote – hierbei kommt es auch auf die Chefärzte an.
37.400 Ärzte werden laut einer Studie des Deutschen Krankenhaus Instituts im Jahr 2019 an deutschen Krankenhäusern fehlen. Wie ein Damoklesschwert schwebt der Ärztemangel schon seit geraumer Zeit über den Patienten und Krankenhäusern. Bereits 2010 hatten laut der Studie drei Viertel der befragten Krankenhäuser massive Schwierigkeiten, offene Stellen im ärztlichen Dienst zu besetzen. Doch wo liegen eigentlich die Probleme der Krankenhäuser bei der Akquise von Ärzten? Und wie gelingt es Krankenhäusern künftig besser, ärztliches Personal zu bekommen? Nicht zuletzt spielt dabei die Positionierung der Klinik als attraktiver Arbeitgeber sowie die gezielte Imagepflege eine große Rolle.
Chefärzte in der Pflicht
Viele Krankenhäuser schenken der „Öffentlichkeitsarbeit“ immer noch wenig Aufmerksamkeit, von Imagepflege ganz zu schweigen. Andere hingegen haben das Problem erkannt und bemühen sich, aktiv zu werden. Sie setzen sich für die architektonische Modernisierung der Häuser ein, erstellen Flyer und ein neues Logo. Und dann erwarten sie, dass die Bewerber herbeiströmen, den Flyer freudig in der Hand schwenkend und – wundern sich, dass der Ansturm ausbleibt. Denn eines wird immer wieder vergessen. Ein schönes, ansprechendes Krankenhausambiente und ein moderner Auftritt sind lediglich angenehme Randbedingungen. Dies allein reicht allerdings nicht aus, um die Ansprüche der Mediziner zu befriedigen.
Fragt man deutsche Krankenhäuser, worin sie selbst ihr größtes Verbesserungspotenzial im Kampf gegen den Ärztemangel sehen, steht an erster Stelle das Weiterbildungsangebot. Da sich knapp die Hälfte der Krankenhausärzte in der Weiterbildung zum Facharzt befindet, beeinflusst die Qualität dieses Angebots die Akquise und Bindung der Assistenten. Genau hier gilt es anzusetzen: Warum entscheidet sich ein Arzt eigentlich für oder gegen ein Krankenhaus? Kai M., 30 Jahre alt, befindet sich gerade in der Fortbildung zum Gynäkologen an einem Berliner Krankenhaus und beschreibt es so: „Als ich nach dem Studium ein geeignetes Krankenhaus gesucht habe, zählte für mich in erster Linie, wie gut dort der Ruf der Weiterbildung und der des Chefarztes waren. Natürlich ist es auch schön, wenn es sich um ein modernes Haus mit angenehmem Ambiente handelt. Solche Faktoren sind nicht zu verachten. Aber an erster Stelle stand für mich definitiv ein qualitativ hochwertiges, klar strukturiertes Weiterbildungsangebot, das sich auch nach zeitlichen Vorgaben richten sollte.“
Um die Qualität der Weiterbildung sicherzustellen, sind vor allem diejenigen gefragt, die in der Verantwortung für eine gute Aus- und Weiterbildung junger Mediziner stehen – die Chefärzte. Gemeinsam mit ihnen sollten die Klinikleiter daran arbeiten, das Programm stetig zu verbessern. Hier können fest formulierte Leitlinien zum Weiterbildungsprogramm helfen, die immer wieder kritisch auf ihre Einhaltung überprüft werden. Schon jetzt setzen deshalb viele Krankenhäuser auf standardisierte Pläne und regelmäßige Gespräche zwischen Chefarzt und dem auszubildenden Arzt. Sie haben erkannt, dass dadurch ein größeres Vertrauen und eine engere Bindung zum Arbeitgeber entstehen kann. Noch wenig Wert wird seitens der Krankenhäuser hingegen auf Tutoren- und Mentorensysteme sowie feste Lernziele für die einzelnen Weiterbildungsperioden gelegt. In diese Richtung kann noch einiges an Angeboten verbessert werden. Bemühen sich Chefärzte schon zu Beginn der Weiterbildung feste Zusagen zur Dauer und zum Ablauf zu machen und diese anschließend einzuhalten, steigert auch das die Qualität der Ausbildung um ein Vielfaches. In diesem Sinne sind Chefärzte die Aushängeschilder eines jeden Krankenhauses. Ist ihr Ruf gut, überträgt sich das auf das gesamte Haus. Jeder angehende Mediziner wird sich gerne bei einem Krankenhaus bewerben, in dem er eine gute Ausbildung erwarten kann.
Zudem kann ein gutes Image im Bereich der Weiterbildung im Krankenhaus insgesamt die Bereitschaft der Medizinstudenten und Absolventen stärken, nach dem Studium ärztlich tätig zu werden. Eine gute Weiterbildung ist somit einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren im Kampf gegen den Ärztemangel.
Ökonomischer Druck bestimmt Weiterbildung
Bei der Qualität der Ausbildung zählen allerdings noch andere Aspekte. Laut einer aktuellen Umfrage sehen deutsche Ärzte ihren Arbeitsalltag vor allem durch den ökonomischen Druck bestimmt. Unbezahlte Überstunden, eine starke Arbeitsverdichtung und immer mehr nichtärztliche organisatorische Tätigkeiten sind die üblichen Beschwerden. Bundesweit bestätigen rund 60 Prozent der Mediziner, dass die zunehmende Bürokratisierung die Patientenversorgung und Weiterbildung behindert. „Man hat oft das Gefühl, durch die ganzen Dokumentationsauflagen ausgebremst zu werden. Manchmal fällt es einem wirklich schwer, sich auf seine Kernkompetenzen wie die Patientenversorgung oder auf die eigene Weiterbildung zu konzentrieren“, erklärt auch Kai M. Hier sind neben politischen Maßnahmen auch die Krankenhäuser gefragt. Effiziente technische Lösungen wie Krankenhausinformationssysteme und elektronische Patientenakten helfen, eine umständliche Doppel- und Mehrfachdokumentation zu vermeiden. Auch eine stärkere Delegation von Aufgaben trägt dazu bei, Ärzte stärker zu entlasten. Das betrifft nicht nur bürokratische Abläufe, sondern ebenso Tätigkeiten, die Vertreter zum Beispiel von Pflege- und MTA Berufen oder neuer Berufsgruppen übernehmen können. Eine Entlastung der Mediziner führt dazu, dass nicht nur mehr Zeit für die Patientenversorgung, sondern auch für die Weiterbildung bleibt.
Teilzeitprogramme für mehr Familienfreundlichkeit
In engem Zusammenhang mit der angebotenen Weiterbildung steht der Aspekt der Familienfreundlichkeit. Immer mehr junge Frauen entscheiden sich für das Medizinstudium, weshalb auch die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Karriere eine immer größere Rolle spielt. Da eine familienbedingte Auszeit die Weiterbildung häufig unterbricht und in die Länge zieht, gilt es Wege zu finden, die Bedingungen für eine fachärztliche Weiterbildung in Teilzeit zu verbessern. Wird diese seitens der Krankenhäuser Ärztinnen bei Schwangerschaft, Mutterschutz oder Elternzeit gewährleistet, geht dadurch auch der Druck verloren, der häufig durch Kurzzeitverträge entsteht. „Für mich war es sehr wichtig, dass mich unser Chefarzt von Anfang an unterstützt hat. Schon vor meiner Beurlaubung haben wir darüber gesprochen, wie es während und nach der Elternzeit weitergehen kann. Es war sehr beruhigend zu wissen, dass ich auch in einer späteren Teilzeitstelle in der Klinik willkommen bin und meine Weiterbildung trotzdem abschließen kann“, beschreibt Alessandra W., 34 Jahre, die nach der Geburt ihrer Tochter derzeit ihre Weiterbildung zur Anästhesistin in einer Klinik in Köln absolviert.
Ebenso stellen Programme, die Eltern vor, während und nach der Elternzeit begleiten sicher, dass der Kontakt zum Krankenhaus nicht verloren geht und sich die Mediziner weder von ihrem Arbeitgeber noch von ihrem Beruf entfremden. Konkrete Arbeitszeitmodelle erleichtern den Wiedereinstieg in Teilzeit nach einer familienbedingten Auszeit. Chefärzte sollten deshalb für eine größere Akzeptanz der Teilzeitarbeit werben und ihren Mitarbeitern von Anfang an das Gefühl geben, dass sie jederzeit wieder willkommen sind. Zudem setzen viele Krankenhäuser bereits auf betrieblich unterstützte Kinderbetreuung, die sich flexibel den Arbeitszeiten der Ärztinnen und Ärzte anpasst und auch im Notfall in Anspruch genommen werden kann.
Letztlich wirken sich solche Maßnahmen auf die Attraktivität des Arbeitgebers aus, wie Bernd Decker vom Verband der Krankenhausdirektoren bestätigt: „Familienfreundlichkeit ist für Krankenhäuser ein ganz wichtiger Erfolgsfaktor im Wettbewerb um die besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt.“
Trotzdem: Auch das Image zählt!
Eine mitarbeiterfreundliche Kultur, die jungen Medizinern
beste Perspektiven bietet, muss im zweiten Schritt natürlich auch nach außen getragen werden. Dies fällt vielen Krankenhäusern noch schwer. Doch es gibt positive Beispiele von Kliniken, die sich mittlerweile sogar auf Plattformen wie Facebook präsentieren. Hierzu gehört die Segeberger Kliniken Gruppe, deren Unternehmenssprecher Robert Quentin erklärt: „Wir haben bereits sehr viel positive Resonanz auf unser Facebook-Engagement von Bewerbern erhalten, die über unsere Webseite Kontakt aufgenommen haben. In jedem Fall ist festzustellen, dass potenzielle Bewerber via Facebook Zugang zu unserem Onlineangebot finden.“
Auch die St. Franziskus-Stiftung Münster setzt bei der Bewerberansprache auf Soziale Medien, wie Facebook und Twitter. „Die Resonanz auf die Facebook-Karriereseite ist – gemessen an den Zugriffszahlen von monatlich etwa 11.000 Aufrufen – sehr gut, obwohl die redaktionellen Aktivitäten durch die Franziskus Stiftung derzeit noch eingeschränkt sind. Grundidee ist, die Bewerberansprache über die konventionellen Möglichkeiten des Internets hinaus zu erweitern, Erfahrungen zu sammeln und im Bereich Social Media zusätzlich potenzielle Interessenten anzusprechen“, erklärt Volker Tenbohlen, Unternehmenskommunikation der St. Franziskus-Stiftung Münster. 2011 wurde das St. Franziskus Hospital Münster für seine Imagekampagne „Team Franziskus“ zur Bewerberansprache in der Pflege mit dem Klinik Award ausgezeichnet.
Auch wenn solche Aktivitäten ein großer Schritt in die richtige Richtung sind, gilt es bei der Akquise von Medizinern künftig noch stärker die Weiterbildungsverantwortlichen mit einzubeziehen. Denn sie sind es, mit denen Krankenhäuser bei der Personalgewinnung punkten können. So könnten Chefärzte bei der Präsentation viel stärker in den Vordergrund gerückt werden, beispielsweise durch Fotos und Interviews zu den Leitlinien. Ein gutes Beispiel bieten die Kliniken Essen-Mitte mit ihrer Facebook Seite. Über einen Link bei dem Punkt Karriere kommt der Besucher direkt zur Auflistung der Chefärzte, die mit einem Foto abgebildet sind, und erhält Informationen zu den Weiterbildungsermächtigungen.
Es zeigt sich, dass die Krankenhäuser künftig selbst mehr Engagement zeigen müssen, wenn es um die Personalansprache geht, wie auch Volker Tenbohlen beschreibt: „Wir arbeiten daran, Hospitäler unseres Verbundes zu ‚Magnethäusern‘ zu entwickeln. Die Idee dahinter: Je größer die Strahlkraft eines Hauses nach außen, desto besser die Chancen bei der Personalgewinnung. Dass ein Krankenhaus oder eine Krankenhausgruppe für Mitarbeiter attraktiv ist, kommuniziert sich dann teilweise auch selbstorganisierend.“
Diese Strahlkraft lässt sich in erster Linie durch eine zielführende attraktive Weiterbildung entwickeln, die durch feste Leitlinien gewährleistet wird. Wenn diese zusätzlich durch den Chefarzt nach außen transportiert werden, wird es zukünftig besser gelingen, Bewerber für eine Karriere im Krankenhaus zu begeistern.
Stand: Frühjahr 2012