Marin Machado hat sich nicht nur eine Karriere mühsam aufgebaut, sondern auch nach vielen gescheiterten IVF-Versuchen eine Familie. Das Familienglück mit ihrem Ehemann Derek rundet seit vier Jahren ihr Sohn Sebastian ab. Alles ist perfekt, bis kurz vor Weihnachten im Trubel des Weihnachtsmarktes Sebastian entführt wird. Für Marin bricht eine Welt zusammen, vor allem nachdem die Polizei nach wenigen Monaten verkündet, dass sie die Suche nach ihrem Sohn abbrechen wird.
16 Monate, einen Selbstmordversuch und einen Aufenthalt in der Psychiatrie später ist Sebastian immer noch verschwunden. Marins einziger Lichtblick ist die Privatdetektivin, die sie vor wenigen Monaten engagiert hat. Doch statt auf eine Spur zu Sebastians Verbleib zu stoßen, deckt sie das Geheimnis von Derek auf: Er hat seit einem halben Jahr eine Geliebte. Diese Offenbarung gibt Marin den Rest – Sie kann nicht noch ihren Mann verlieren. Die Mätresse von ihrem Mann muss aus seinem und Marins Leben verschwinden. Ein für alle Mal.
Der Leseeindruck
Die Geschichte ist in mehrere Teile gesplittet, welche die verschiedenen Abschnitte der Entführung sowie der Suche von Sebastian und die Beseitigung der unerwünschten Person in Marins Leben aufgreifen. Hierbei wird die Geschichte überwiegend von Marin, aber auch von Nebencharakteren wie der Geliebten ihres Mannes erzählt. Leider blieben die einzelnen Figuren etwas blass. Vor allem die Figur von Marin hat sehr wenig Tiefgang bekommen. Man hat zu Anfang sehr viel Sympathie für sie aufbauen können, doch über die Seiten hinweg ist die etwas geschrumpft. Es wurde zu wenig verraten, wieso sie genau so handelt – aus diesem Grund wirken manche Aktionen etwas überzogen. Ein paar mehr Infos zu ihrer Vergangenheit und Gedankenwelt hätten sie an manchen Stellen etwas nahbarer und nicht zu abstrakt wirken lassen.
Ein wirklich großer Pluspunkt: Die Spannung baut sich schnell auf und bleibt durch die geschickten Wendungen und neuen Geheimnisse durchgehend hoch. Vor allem das Ende der Suche nach Sebastian trifft eine:n als Leser:in sehr unvorbereitet. Die finale Enthüllung kam genau an der richtigen Stelle und wurde nicht in wenigen Seiten abgearbeitet, sondern lief angenehm in den Epilog über.
Eifersucht, Rache und eine ordentliche Portion Trauer
Marin ist gebrochen durch den Verlust ihres Sohnes, ihr Ehemann zeigt nicht mehr viel Verständnis für ihre Trauer und eine andere Frau bekommt seine volle Zuneigung. Das Motiv von Marin ist ganz klar: Sie sieht rot und die Eifersucht hat sie eisern in der Hand. Entsprechend reagiert sie – vielleicht auch etwas übertrieben 😉 – und setzt sich mit einem Auftragskiller auseinander. Ein mutiger Schritt, der von der Autorin gut umgesetzt wurde und nicht als einfache Entscheidung abgetan wurde, sondern mit Konsequenzen einhergehen kann.
Schön ist es auch, dass Marin mit ihrem ganzen Balast nicht alleine gelassen wird. Vor allem eine Selbsthilfegruppe ist eine große Stütze für die junge Frau. Dort treffen sich mehrere Eltern, die ein vermisstes Kind zu betrauen haben. Das Thema wird so behutsam aufgegriffen und bekommt die persönliche Note, die es verdient hat – schließlich gibt es auch abseits dieser fiktiven Welt ähnliche Schicksale und Menschen, die genau den gleichen Horror mitmachen müssen. Chapeau, an die Autorin Jennifer Hillier, die diese Thematik gut verpackt hat, ohne die wahren Schicksale klein zu machen oder die Wahrheit zu verschönern.
Fazit
„Denk an mich, wenn du stirbst“ ist ein gelungener Thriller, der ein leider immer aktuelles Thema (Kindesentführung) aufgreift. Durch die Kombination mit der unerwünschten Mätresse von Derek wird die Story von „Wie viele Schicksalsschläge braucht eine Person, um gegen die eigenen Prinzipien zu verstoßen“ komplett.
Lisa Albrecht (academicworld.net)
Jennifer Hillier. Denk an mich, wenn du stirbst
Penguin. 11,00 Euro.