Obacht, hier geht es um Band 2, womit die Reihe bereits abgeschlossen ist. Die Besprechung zu Band 1 gibt es hier.
Das Datum, an dem sich der Namenlose Eine, ein zutiefst bösartiger Drache, sich aus der Tiefe des Meeres erheben wird, rückt immer näher. Ead wird zurück zur Priorei beordert, wo ihr unmissverständlich verdeutlicht wird, dass die aktuelle Priorin sich nicht weiter in die Drachen-Belange einmischen möchte – und damit Sabran eine komplett ungeschützte Flanke bekommt.
Vicomte Loth wird zum Botschafter von Sabran, um eine nie zuvor dagewesene Allianz zwischen Ost und West zu schmieden, die alles andere als solide wäre, wenn sie denn überhauüt geschlossen wird. Tané entdeckt, dass sie ihre Ehre wieder herstellen könnte und fasst den Mut samt Entschluss, sich der Hexe Kalyba und dem Namenlosen Einen entgegen zu stellen – an der Seite von Ead, aber das weiß sie noch nicht. Das alles fußt auch super wackligen Beinen und macht das große Ziel eigentlich extrem unwahrscheinlich …
Der Leseeindruck
Erneut folgen wir zeitgleich mehreren Charakteren in unterschiedlichen Ecken und Enden dieser Welt. Zwar reicht es meistens, die grobe Unterteilung zwischen Ost und West zu bedenken, doch irgendwann wird es komplizierter, weil diese Bereiche natürlich in weitere Königreiche unterteilt sind. Sehr komplex sind auch die Betrachtungen rund um die verschiedenen Glaubensansätze der Länder, die zudem maximale politische Konsequenzen haben. Das prägt die Thematik maßgeblich und bringt sie damit in eine vergleichsweise ernste Ecke. In Kombination mit einer sehr getragenen und epischen Erzählstimme wird es zu einer Geschichte, die sicherlich nicht nur Freunde finden wird (das Gefallen ist also geschmacksabhängig).
Kritisch zu sehen sind durchaus einige Längen, die sich immer wieder einschleichen – zum einen durch lange Beschreibungen der geistigen Zustände der Charaktere, zum anderen durch fehlende Action, die ein Buch dieser Länge einfach benötigt. Der finale Kampf endet vergleichsweise schnell und zwei oder drei wichtige Faktoren des Hintergrunds werden mit einem simplen „ist halt so“-Satz erklärt. Wenn das Buch aber schon über 500 Seiten hat, hätten 2 bis 3 Absätze mehr auch nicht geschadet und inhaltlich die Leser:innen besser versorgt.
Dafür ist das Ende allein durch die mannigfaltigen Charaktere auch etwas bunter, teils offen und zeigt, dass auch so ein großes Abenteuer deswegen nicht das Ende für die Personen ist, sondern es schlichtweg weitergeht, auch wenn wir nun an dieser Stelle aussteigen. Dieser Blick fürs Ganze zieht sich quer durch beide Bände und sorgt für kongruente Handlungen / Äußerungen. Einzig rund um die Person Niclays Roos gibt es eine Entwicklung am Ende, die einfach Quatsch ist und zum Glück nicht prägend für die Geschichte. Er musste anscheinend irgendwie noch eingeflochten werden und das ging etwas schief.
Insgesamt dennoch eine solide und gute Fortsetzung, die die gleiche Tonalität von Band 1 hat und damit Unterhaltung aus einem Guss bietet. Es ist empfehlenswert, beide Bände relativ zeitgleich zu konsumieren, damit man nicht die Übersicht verliert. Mit etwas über 1000 Leseseiten insgesamt wird man auch ordentlich unterhalten, sofern man nicht einfach schnell etwas lesen will, sondern bereit ist, sich tiefer in eine andere Welt eintauchen zu lassen.
Samantha Shannon. Der Orden des geheimen Baumes – die Königin.
(Band 2 von 2)
penhaligon. 20 Euro.