Vor fast 20 Jahren waren Jess und Heather unzertrennlich – beste Freundinnen. Doch nach zwei Jahren inniger Freundschaft hat ein einziger Tag das Leben der beiden verändert und die Freundschaft zerstört. Jahre später kehrt Jess in ihre Heimatstadt an der englischen Küste zurück. Dort soll sie in ihrer neuen Arbeitsstätte eine Berichterstattung über den brutalen Doppelmord übernehmen. Doch schnell stellt sich raus, dass die Hauptverdächtige in diesem Fall ihre ehemalige beste Freundin Heather ist. Jess ist fassungslos und kann sich nicht vorstellen, dass ihre gutherzige Jugendfreundin zu so etwas im Stande ist. Jess Ziel ist es nun nicht mehr, den besten Exklusivbericht zu schreiben, sondern herauszufinden, ob Heather wirklich eine Mörderin sein kann. Mit Grauen muss die junge Journalistin feststellen, dass alle Hinweise zu einem bestimmten Tag führen: dem Tag, an dem Heathers Schwester spurlos verschwunden ist…
Charakterstarke Protagonistin
Als Jess das erste Mal einen Auftritt im Buch hat, wirkt sie wie eine „typische“ Journalistin aus der Literatur: taff, skrupellos und immer an den heißesten News interessiert. Auch ihre Kolleg:innen und ihr Vorgesetzter drücken ihr den Stemple „eiskalt“ auf. Die harte Schale bekommt aber einige Risse, als sie zwischen den Stühlen steht und abwägen muss, ob sie eine gute Story über den Doppelmord schreibt, oder das Ansehen ihrer ehemaligen besten Freundin und ihrer Familie wahrt. Zudem hat sie auch in ihren eigenen Vierwänden einen Kampf auszutragen, denn ein großes, unausgesprochenes Geheimnis hängt zwischen ihr und ihrem Freund. Dieses hat mit ihrem Job und ihrem Ruf zu tun, was das eiskalte Image nur noch mehr bestätigt.
Im Lauf der Geschichte bekommt die Leserin/der Leser ihre sensible Seite zu sehen. Sie muss ihren Weg finden und den Kopf für ihre Entscheidungen hinhalten. Dabei steht ihr unerwarteter Weise ein Familienmitglied aus Heathers Familie bei. Diese aufgeflammte Beziehung zu der Familie ihrer alten Freundin zeigt ihr, wie sehr sie Heather eigentlich vermisst und wie schwer die Fehler wiegen, dass sie sich als junges Mädchen von ihr abgewendet hat. Sie lernt in dieser kurzen Zeit viel über sich und wie wichtig es ist, sich mit Menschen zu umgeben, die für einen da sind, einen unterstützen und vertrauen.
Das Jahr 1994
Für die Geschichte ist da Jahr 1994 wirklich prägnant, denn dort begann alles. In diesem Jahr wurden die Lebenswege bis zur Gegenwart geebnet, in der alle Akteure wieder aufeinandertreffen. Durch geschickte Rückblicke, welche entweder aus der Sicht der beiden (ehemaligen) besten Freundinnen oder aus der von Heathers Schwester Flora verfasst sind, bekommt man Stück für Stück mit, welcher Stein das Drama ins Rollen gebracht hat. Dabei wurde nichts vorweggegriffen und hat dem gegenwärtigen Handlungsstrang noch mehr Spannung eingehaucht.
Sensible Themen gut verpackt
Drogenmissbrauch und häusliche Gewalt nehmen im letzten Drittel einen großen Stellenwert ein. Dabei werden die Themen durch die entsprechenden Charaktere auf eine sehr angenehme Art der Leserin/ dem Leser übermittelt, ohne, dass man das Gefühl hat, dass die Thematik mit Samthandschuhen angefasst wird beziehungsweise verherrlicht wird. Es zeigt die körperlichen und geistigen Auswirkungen, die ein Opfer dadurch hat und gibt gleichzeitig ein warnendes Bild ab: Nicht jeder, der nett aussieht und charmant ist, ist nett. Da die Thematiken – vor allem der Drogenmissbrauch – ein wichtiger Bestandteil der Geschichte werden, könnten sich einige Leser:innen getriggert fühlen. Leider fehlt hier ein Hinweis mit Triggerwarnungen…
Fazit
Bei dem Titel habe ich mir etwas mehr Drama um die beiden ehemaligen besten Freundinnen erhofft. Mehr Lügen, mehr Intrigen. Die Lügen, die im Verlauf auf den Tisch kamen, waren etwas schwach für diesen prägnanten Titel. Abgesehen von dem Titel kann ich an dem Thriller kein schlechtes Haar lassen. Für mich war er ein absoluter Pageturner.
Lisa Albrecht (academicworld.net)
Claire Douglas. Beste Freundin – Niemand lügt so gut wie du
Penguin. 13,00 Euro.