Als ob eine gewiefte Miss Marple sich wirklich von einem scheinbar unlösbaren Rätsel aufhalten lassen würde, also wirklich. Mit dieser Staffel 1 liegen 4 Langfolgen einer wesentlich umfangreicheren Serie von itv vor. Langfolge heißt in diesem Fall, dass sie jeweils zirka 1.5 Stunden dauern.
Wenn da eine herzförmige Lupe neben adretten Handschuhen liegen, darauf eine in Stoff gebundene Bibel und das wöchentliche Teekränzchen das soziale Highlight darstellt, dann ist man wohl in einer sehr ländlichen Gegend Englands gelandet. Dort wohnt eine betagte, gebrechliche Dame mit einem gewitzten Charme und scharfem Verstand. Ihre Freunde wissen um ihre Begabung und rufen sie zu so manchem Fall hinzu, bei dem die Polizei allein kläglich versagen würde. Von einem Würger in einem Zug bis zu einem Mord im Pfarrhaus – Miss Marple lässt sich in der Regel nicht lange bitten.
Adaptionen der wohl bekanntesten betagten Ermittlerin in England gibt es viele, sodass sich ganz berechtigt die Frage stellt, ob sich diese denn auch wieder lohnt. Das Gute ist: Es gibt meines Erachtens bisher nicht „die“ perfekte Miss Marple-Besetzung, die sich absolut ikonisch in den Köpfen der Zuschauer festgesetzt hätte.
Was Miss Marple über Jahrzehnte so erfolgreich macht, ist meines Erachtens das gesellschaftliche Konzept: Eine ältere Dame, der nichts zugetraut wird, mischt einen exklusiv männlich dominierten Bereich auf – sie wird belächelt, für unglaubwürdig gehalten. Und doch hat sie die Spürnase immer vorn, dirigiert „die werten Herren“ in die richtige Richtung und zeigt sich vor allem moralisch sehr modern. Das ist umso wichtiger, als dass die Serie in den 50er Jahren angesetzt wurde und der Krieg die gemeinsame geschichtliche Basis aller Beteiligten bildet. Der Krieg als brutale Erfahrung verändert die Menschen und aus regulär aufgewachsenen Menschen werden solche mit den wohl schwärzesten Erinnerungen, die es geben kann.
Entsprechend sind einzige Szenen nicht nur durch Charme der 50er geprägt, um dem Zuschauer ein schönes kleines Rätsel aus einer anderen Zeit zu präsentieren. Sie fallen etwas brutaler als man es von einer Serie dieser Zeit vermuten könnte – weil beispielsweise die Strafe der Täter mit gezeigt wird, was damals nichts anderes als Hängen war. Somit unterscheidet sich die Serie und diese 4 Langfolgen deutlich von bisherigen Vorgängern.
Doch trotz all dieses Hintergrunds bleibt den 4 Langfolgen eine gewisse Leichtigkeit und Charme erhalten, den man sich von den 50er Jahren in England erwartet.Insofern entfaltet sich der erwartete Zauber, gemischt mit toughen Rätseln und versteckten Hinweisen, die zum miträtseln einladen! Auf jeden Fall sehr süße Abendunterhaltungen mit mit 4 x 1.5 Stunden ist genug, aber nicht überwältigend viel geboten.
MARPLE
Seit dem 29. September im Vertrieb der polyband GmbH in gängigen Formaten erhältlich.