… in den Bäumen hängen (werden), lebt Mattie mit ihrem deutlich älteren Ehemann, William. Er ist ein brutaler, grausamer Mensch, der Mattie missbraucht und schlägt. Sie kennt kein anderes Leben als das beschwerliche, das sie weitab der Zivilisation führen.
Da taucht ein von einem anderen Tier zerrissener Fuchskadaver auf und weitere Anzeichen, dass etwas Neues im Wald rund um die kleine Hütte wohnt. Ein Tier, mehr ein Monster, das nicht nur das Leben von William und Mattie bedrohen könnte, sondern auch neugierige Menschen aus dem Tal anlockt. Das passt William so gar nicht, denn er hat seine brutalen Gründe, um Mattie vor Fragen und forschenden Blicken zu verstecken …
Der Leseeindruck
Mensch gegen Monster, dunkle und abgelegene Umgebungen, der Mensch nicht als Krönung der Schöpfung sondern als Teil der Nahrungskette – Christina Henry weiß, wie sie gruselige Atmosphären kreiert, bei denen man froh ist, wenn man als Leserin außerhalb der Seiten zur stillen Beobachterin wird. Dabei tut es gut, dass unsere Protagonistin aufwacht und mitdenkt. Dass sie vom verängstigten, zutiefst manipulierten Kind zu einer neuen Person wird, die erfolgreich hinterfragt – und teilweise frische Perspektive auf die Zivilisation werfen kann. Wie oft wurde man schon mit Horror-Protagonisten konfrontiert, die keinen Millimeter geradeaus denken konnten und deshalb natürlich im Schlund eines Monsters landen mussten?
Nicht so bei Mattie, die intuitiv die Situationen begreift, nicht in feste Formen ihrer gesellschaftlichen Vorprägung pressen möchte und gerade deswegen das größte Überlebenspotenzial hat. Sie ist sympathisch, klug, anpassungsfähig, hat trotz allem ein gutes Herz und man wünscht ihr von Anfang an, dass sie irgendwie aus dieser Situation herauskommt. Dass irgendjemand trotzdem Federn lassen muss, weiß man bei Christina Henry natürlich und so ist die Geschichte auf drei Ebenen spannend. Da macht es nichts, dass ein Großteil der Geschichte im Wald stattfindet – das hat Teil 1 von der der Ringe übrigens auch.
Über das Monster erfährt man gar nicht so viel, sodass einige Fragen offen bleiben – aber nicht zur eigentlichen Handlung, sodass man sich als Leser:in ganz wunderbar eigene Gedanken machen kann. Wen schützt das Monster, will es wirklich nur Blut sehen, ist es wirklich eines oder sehen wir es nur als solches, weil es uns fressen würde? Warum greift es nicht wahllos an – weil es über Verstand und Logik verfügt? Es wird also nicht einfach eine Geschichte erzählt, sondern die eigene Gedankenwelt angeregt, auch nach dem Lesen weiter darüber nachzudenken, was mittlerweile sehr typisch ist für Bücher aus der Feder von Christina Henry.
Das Fazit
Ein sehr cooler Schocker, der perfekt in die dunkle Jahreszeit passt und uns gleichzeitig gruseln und rätseln lässt. Kleiner Bonus der wie immer passende und sehr süße „Farb“schnitt, der die bisherige Sammlung top vervollständigt und das Buch zu einem kleinen Schmuckstück des Bücherregals macht.
Triggerwarnungen sollten daher ernst genommen werden, auch wenn die Autorin eh schon dafür bekannt ist, relativ blutige Bücher zu schreiben. Hier geht es auch extrem psychisch zur Sache – wird in der eigentlichen Story gut in Kontext gesetzt (stark kritisert/abgelehnt), aber könnte die eine oder andere an schlechte Erfahrungen erinnern.
Christina Henry. Der Knochenwald.
Penhaligon. 22 Euro.