Nuria lebt in einer mittelalterlichen Welt namens Area, genauer gesagt einem ärmlichen Dorf namens Pago. Eigentlich erhält jeder heranwachsende Bewohner mit Eintritt ins Erwachsenenalter eine magische Gabe – doch seit Jahren gibt immer weniger mit Magie begabte Menschen. Und die, die es gibt, werden in die Burg Griseo von Lord Tarik entführt, aus der sie ohne jedes Talent zurückkehren, wenn überhaupt.
Nuria ist ein rebellisches Mädchen, die sich seit jeher den Anordnungen des Patriarchats widersetzt. Als der Hunger ihr Dorf in festen Klauen hält, geht sie im Wald auf die Jagd, auch wenn auf dieses „Verbrechen“ der Tod steht. Just werden sie und ihr Bruder von Lord Tarik und seinen Männern auf frischer Tat ertappt. Um sein Leben zu retten, willigt sie ein, mit zu Lord Tarik auf seine Burg Griseo zu gehen und fortan als vermeintliche Lady Miriam zu leben. Die ehemalige Gemahlin Lord Tariks sei verstorben und ähnele Nuria bis aufs Haar. Ihr Tod habe den Lord zu einem Monster mit einem Herz aus Stein gemacht, bei dem Nuria von nun an irgendwie überleben muss …
Der Leseeindruck
Ein Eindruck, dessen man sich nicht verwehren kann, ist die Ähnlichkeit mit der klassischen Storyline von Die Schöne und das Biest. Die sprichwörtliche Burg, auf der die junge Frau nun leben muss, das Monster, dem diese Burg gehört. Das Herz aus Stein, das sich erweichen lassen muss und die Familie, zu deren Schutz die junge Frau sich für das schwere Los entscheidet.
Dieses Grundszenario wurde aber sehr nett erweitert: Um die magischen Gaben, die langsam aussterben und das mysteriöse Verschwinden derjenigen, die über eine verfügen. Oder auch die Vorgängerin Lady Miriam, die wohl auch nicht sooo glücklich gewesen zu sein schien, genauso wie der Magier Caruzo, der über mehrere magische Talente zu verfügen scheint. Diese Mischung ist es, die die Leserschaft bei der Stange hält, denn so entwickelt sich die Handlung stetig voran und macht den Leser neugierig. Es wird schnell klar, dass es hier eine „große Wahrheit“ gibt, die es zu ergründen gilt. Es gibt immer wieder eine neue Information, eine sich weiter auswirkende Handlung, die der Geschichte immer wieder einen anderen Dreh verpasst.
Schade ist, dass das Ende meiner Meinung nach etwas zu märchenhaft, etwas zu klischeelastig abläuft. Jedes Puzzleteil fällt in seinen Platz, was an sich nicht verkehrt ist. Jedoch wird beispielsweise die Magie als sehr einfacher Ausweg aus Erklärungsnöten genutzt und maximaler Wert auf Harmonie gelegt. Das ist natürlich eine sehr subjektive Wahrnehmung, aber etwas mehr Konflikte oder Zurückhaltung hätte dem Ende etwas weniger Kitsch und mehr Tiefe verliehen. Es muss nicht immer alles völlig glatt ausgehen.
Dazu kommt, dass die Zielgruppe des Buchs vermutlich eher bis zu den Anfang 20er geht. Zumindest, wenn man nach dem Verhalten von Nuria geht, die sich doch eher unerfahren im zwischenmenschlichen Umgang erweist. Typisch Teenager macht sie sich einige ihrer Probleme selbst. Das soll keine Kritik sein, nur ein Hinweis für all diejenigen, die sich ein ausgewachsene Romanze erwarten. Die Liebe ist durchaus ein zentraler Aspekt dieser Geschichte, wird aber nicht übertrieben fokussiert, es rieselt quasi kein Glitzer und keine rosa Herzchen aus der Seite – im Wesentlichen sehr angenehm verfasst.
Das Fazit? Aus meiner persönlichen Sicht durchwachsen. Selbst, wenn man den märchenhaften Hintergrund mit einbezieht und wertschätzt, welche Welt rund um den Kern der Geschichte gestrickt wurde, gibt es zu viele Widersprüchlichkeiten, die den guten Eindruck zwangsläufig schmälern.
Bettina Riedel (academicworld.net)
Die Gabe des Winters. Mara Erlbach.
12 Euro. blanvalet.