Esta lebt nicht nur in der Gegenwart, sondern öfters auch in der sprichwörtlichen Vergangenheit. Sie verfügt über die magische Gabe, in die Vergangenheit zu reisen. Das bringt ihr aber nicht sehr viel, denn New York ist von einer magischen Barriere umgeben, die alle Magier in der Stadt festhält.
Diese Barriere wurde vom Orden errichtet, der die Magier als Feindbild erkoren hat und beständig gegen sie kämpft – und gerne mal über Leichen geht. Deswegen steht Esta in den Diensten des Professors Lachlan: Sie will die Barriere niederreißen! Dafür entsendet sie der Professor auf Diebestouren in die Vergangenheit, um wichtige Relikte „zu organisieren“. Die letzte und wichtigste Aufgabe steht ihr jetzt bevor: In das New York des Jahres 1901 reisen und das Buch aller magischen Bücher stehlen: Das Ars Arcana.
Der Leseeindruck
Ganz am Anfang dauert es ein Sekündchen, bis man sich in die zeitliche Struktur des Buchs reingearbeitet hat, da es mit der zentralen Schlusszene beginnt, die durch das Zeitreiseabenteuer aufgehoben werden soll. Dann aber wird die Geschichte sehr verständlich, zumal der Großteil der Handlung in einer einzigen Zeit stattfindet und man erst am Ende wieder mit den Zeitsprüngen konfrontiert wird. Ebendiese stellen inhaltlich auch eine gewissen Herausforderung dar, denn hier muss alles stimmig gemacht und viele philosophischen sowie physikalischen Bedingungen/ Überlegungen einbezogen werden. Das gelingt der Autorin sehr gut.
Die Charaktere sind sehr speziell. Mir persönlich haben sie perfekt in die Kragenweite gepasst. Sie sind rational, getrieben von Notwendigkeiten eines armen und eingeschränkten Lebens. Ihre Welt dreht sich nicht um den nächsten Lipgloss oder wer die nächste große Liebe sein könnte. Sie müssen sich um ihren Auftrag kümmern oder sie gehen vor die Hunde – das passt sehr gut zum Leben der damaligen Zeit. Die Masse der Menschen dieser Zeit hatte keinen Luxus und Luxus beginnt dort schon mit einem freien Tag nur für sich. Insofern sollte man keine rosa glitzernde Romantik erwarten.
Insbesondere, weil mit Esta eine moderne Frau auf einen Mann aus der vorletzten Jahrhundertwende trifft. Seither gab es enorme Weiterentwicklungen in Sachen Gleichberechtigung, die es damals nicht gab. Das muss bei Esta und Harte natürlich zu Komplikationen führen, denn Männer durften ihren Frauen alles verbieten, einfach alles. Damit würde von den in der Gegenwart lebenden Leserinnen vermutlich auch niemand ohne Weiteres zurechtkommen. Insofern bleibt die Geschichte hier authentisch und dem Konzept „Das Leben ist kein Ponyhof“ treu. Trotzdem schafft Lisa Maxwell es, eine Prise Romantik einzustreuen, sodass das eigene Kopfkino durchaus etwas in Gang kommt und man sich natürlich ein Happy End wünscht.
An diesen Umständen werden sich die Geister einfach scheiden. Wer etwas Gefälliges lesen möchte, das in die Traumvorstellung einer glorreichen Vergangenheit mit Pomp und Circumstance passt, wird vermutlich etwas enttäuscht. Ich fand die Erzählung sehr erfrischend, mit Ecken und Kanten konstruiert und am Ende nicht wahnsinnig überraschend, aber sympathisch. Zum Sympathiefaktor gehört auch, dass es Magier gibt, aber diese sich bei ihren Handlungen nicht ausschließlich auf ihre übernatürliche Begabung berufen. Auch sie sind in gewisser Weise normal und das macht ihre Beweggründe schlichtweg menschlich. Sie sind keine Vorbilder, sie sind nicht perfekt, sie sind nicht ideal. Ich mag das.
Ein bisschen auffällig sind die durchaus vermehrten Schreib- oder Tippfehler, was sich in einer zweiten Auflage vielleicht eliminieren lassen könnte.
Bettina Riedel (academicworld.net)
Lisa Maxwell. Der letzte Magier von Manhattan.
(Droemer-)Knaur. 16,99 Euro.