Sie kommt mit einem Haarschopf aus schwarz und weiß zu Welt – deutlicher könnte es sich gar nicht zeigen, dass zwei Herzen in ihrer Brust schlagen: Estella und Cruella, wie sie und ihre Mutter ihre eher zynisch-böse Seite nennen. Als Kind ist sie Zeugin der Ermordung ihrer Mama und gibt sich jahrelang die Schuld dafür – bei ihrer anschließenden Flucht nach London trifft sie auf die zwei Straßenjungs Horace und Jesper. Zusammen schaffen sie sich ein Zuhause, zusammen wachsen sie zu (leicht kriminellen) Jugendlichen heran.
Estella liebt die Mode, ist wahnsinnig kreativ und träumt von einer besseren Zukunft – die sich ihr mit einem Schlag präsentiert, als die Baroness von Hellmann sie bei sich im Designteam einstellt. Doch schnell ist klar, dass diese Frau ihre Mitarbeiter schamlos ausnutzt und selbst über nichts als Trickserei, Ego-Spielereien und einen wirklich kaputten Charakter verfügt. Estella bricht aus, entlässt Cruella aus ihren Ketten und macht sich daran, das Modeimperium mit ungewohnten, wilden Kapriolen zu erobern. Bis, ja bis da ein pikantes Detail über ihrer beider Vergangenheit herauskommt und sich der Fokus ins Mörderische verschiebt …
Zwei beeindruckende Emmas
Beide Frauen sind absolut richtig ausgewählt worden für diesen Film, denn beide Rollen brauchen ausdrucksstarke Schauspielerinnen, die den Charakter gut visualisieren können. Ihre Darstellungen sind raumgreifend bis hin zu bombastisch, dabei erlauben sie dennoch kleine Einblicke in die emotionalen Hintergründe ihres Handelns. Sie verkörpern die Rollen auf einem Level, die man selten sieht. Wer meint, Emma Thompson hätte dann ja nicht viel zu tun gehabt, weil die Baroness so oberflächlich ist – wer genauer hinsieht merkt, wie viel Arbeit da drin stecken muss.
Der Konflikt gut und Böse …
.. ist zugegebenermaßen das, was hier am offensichtlichsten ist: Wir alle kennen Cruella als die Böse, bei der man sich nie sicher war, ob sie den Dalmatinern nicht das Fell abgezogen hat. Wer die Antwort auf die Frage haben möchte, sollte den Film übrigens unbedingt kucken. Nicht nur, dass Estella/Cruella schon von Anfang an zwischen weiß und schwarz hin und her pendelt, versucht sie sich als Modeschöpferin, wo ihr Emporkommen doch eher dem kriminellen Hintergrund entspricht. „Sie hat sich stehts bemüht“ und doch fällt ihr das Leben als Cruella deutlich leichter. Was eine inherente Kritik an „dem Bösen“ ist – nur, weil etwas leichter ist, ist es nicht richtig. Ihre beiden Freunde aus der Jugend haben als Moralapostel mit Diebesgut in der Hand jedenfalls einen ganz schweren Stand. Und genau das macht den Film und die Coming-of-Age-Geschichte der Cruella so spannend. Sie ist nicht einfach böse, sie entwickelt sich unter Einflüssen zu dem, wie wir sie bereits kannten.
Kleine Makel
Die Dauer des Films kommt einem in der Mitte doch etwas lang vor, weil sich hier zeitweise doch etwas weniger bewegt und die eine oder andere Szene im Nachhinein optisch nett, aber inhaltlich nicht ganz so arg zielführend war. Der Humor von Cruella jedoch täuscht darüber gerne hinweg – zumal die Kostüme eine echte Augenweide sind.
CRUELLA – ab dem 19. August in gängigen Formaten auf Disc und ab dem 27. August für alle Disney+ Abonnenten verfügbar.