Der Journalist und Youtuber Mirko Drotschmann alias MrWissen2Go hat mit uns über sein Wirken auf YouTube und in den konventionellen Medien gesprochen. Er beschreibt seine Arbeit im Detail und weiht uns in die Geheimnisse der Webvideoproduktion ein.
Stell dich doch erst mal unsere Leserschaft vor. Wer bist und was machst du?
Mein Name ist Mirko Drotschmann. Ich bin 37 Jahre alt und arbeite als Journalist unter anderem bei YouTube. Dort bin ich auf den Kanälen MrWissen2go und MrWissen2go Geschichte unterwegs und moderiere außerdem die Sendung TerraX im ZDF.
Wie läuft der allgemeine Arbeitsprozess für deine Videos ab?
Dazu muss ich zunächst mal sagen, dass es so einen ganz allgemeinen Arbeitsprozess gar nicht gibt. Denn jedes Video für sich genommen ist anders, sowohl in der inhaltlichen Herangehensweise als auch in der Produktion.
Aber ganz grundsätzlich kann man sagen, an erster Stelle steht immer die Recherche. So zum Beispiel auch heute. Der Tag heute ist reserviert für die Recherche an einem neuen Thema. Dieses Thema muss ich mir erst mal heraussuchen. Das basiert in aller Regel auf dem, was sich Zuschauerinnen und Zuschauer wünschen und auf dem, was aktuell passiert.
Und dann recherchiere ich eine ganze Weile, schreibe ein Skript, drehe und dann geht das Material an die Kolleginnen und Kollegen aus der Produktion, die den Schnitt und die Animation machen. Dann geht das Video in die Abnahme und nachdem es abgenommen ist, geht es wieder zurück an mich. Ich kümmere mich um die Veröffentlichung, das Community Management und die Kommentare. Das ist so der ganz allgemeine Arbeitsprozess.
Du hast deinen YouTube-Channel erst gestartet, nachdem du dich in den herkömmlichen Medien bereits karriere- technisch etabliert hast. Wieso kam es zu der Entscheidung nebenbei, zunächst einmal bestimmt noch als Hobby, Videos zu produzieren?
Tatsächlich war es ein Hobby, sehr lange Zeit. Ein Hobby, das mir auch sehr viel Spaß gemacht hat und auch immer noch Spaß macht. Die Initialzündung kam unter anderem dadurch, dass ich YouTube als Plattform näher kennengelernt habe. Das passierte durch meine Frau, die bereits einen YouTube-Channel besaß. Ich als Medienmacher hatte großes Interesse an der Plattform und dachte, vielleicht kann man das auch journalistisch nutzen, ich könnte dort eigene Beiträge veröffentlichen.
Gleichzeitig habe ich damals für die Kindernachrichten Logo gearbeitet. Mein Eindruck war dabei der, dass die Kinder, wenn sie dann älter werden und für Logo zu alt sind, keine adäquaten Angebote mehr haben, um sich altersgerecht über die Nachrichtenwelt informieren können, auch dann, wenn sie Jugendliche oder junge Erwachsene sind. Inzwischen hat sich das glücklicherweise ein bisschen geändert. Aber für mich war das damals auch definitiv eine Initialzündung. Ich wollte es auf YouTube mit einem eigenen Angebot versuchen, dass zum Ziel hat, die Welt zu erklären.
Informativer Content auf YouTube oder allgemein Social-Media-Plattformen ist leider deutlich unbeliebter und schwieriger zu vermarkten, als der pure Unterhaltungscontent, der gerade die letzten Jahre immer mehr an Aufmerksamkeit und Klicks erhält. Wieso hast du dich trotzdem entschieden, diesen Weg als Webvideoproduzent zu wählen und einen Channel aufzubauen, der sich mit aktuellen politischen, gesellschaftlichen und geschichtlichen Themen beschäftigt?
Weil ich nichts anderes kann. Also ich bin nicht besonders lustig und auch nicht besonders unterhaltsam und mir macht es viel Spaß. Mir bereitet es enorme Freude, mich mit Politik, Geschichte und Gesellschaft auseinanderzusetzen. Deshalb lag es auch nahe mich mit diesen Themenbereichen zu befassen.
„Ich möchte immer einen Sinn hinter meiner Arbeit haben”
Und ich möchte immer einen Sinn hinter meiner Arbeit haben. Was nicht heißt, dass Unterhaltung keinen Sinn hat. Aber für mich ist es einfach erfüllend zu sehen, dass Menschen etwas dazu lernen, sich eine Meinung bilden und in eine Diskussion einsteigen können. Und das macht für mich den großen Reiz aus und war für mich auch einer der großen Impulse, es bei YouTube zu versuchen.
Welche Tipps und Tricks hast du in deiner Laufbahn als YouTube Creator herausgefunden, um auch mit informativem Content die meist jüngere Zielgruppe anzusprechen und sie für diese Themen zu begeistern?
Zentral ist für mich immer, die Interessen des Publikums zu treffen. Das gelingt mal mehr, mal weniger gut. Aber insbesondere in Breaking News, den aktuellen Nachrichtenlage, merke ich, dass ein ganz großer Bedarf daran ist, nicht nur über das Aktuelle informiert zu werden, sondern vor allem auch über die Hintergründe.
Die Leute möchten verstehen, was da gerade passiert. Das ist mein Ansatz, die Hintergründe zu dem zu liefern, was die Menschen in den Medien mitbekommen. Und ich denke, dass aufgrund des Bedarfs, der da allgemein besteht, nicht nur bei jüngeren Menschen, es dafür auch ein Interesse gibt auf den Plattformen.
Welche Vorteile siehst du in YouTube oder anderen Social-Media-Plattformen gegenüber den konventionellen Medien, wenn es darum geht informativen Content zu vermitteln? Was sind die Nachteile?
YouTube ist eine sehr diskursive Plattform. Man bekommt permanent Rückmeldungen in Form von Kommentaren. Man kann also mit dem Publikum in eine Diskussion, in ein Gespräch einsteigen. Das sehe ich als großen Vorteil. Gleichzeitig kann das aber auch schwierig sein und dort Nachteile mit sich bringen. Aber für mich überwiegt da das Positive.
Außerdem sind es sehr unmittelbare Plattformen.
Ich kann die Videos selbst erstellen und veröffentlichen, ohne eine große Anzahl an Zwischenstationen, wie es unter anderem im Fernsehen der Fall ist. Ein weiterer Vorteil besteht für mich auch darin, dass man eine andere Bindung zum Publikum hat. Man ist eher auf Augenhöhe und nahbarer, als es zum Beispiel im Fernsehen der Fall ist.
Nachteile sind sicherlich, sich in einem schwierigen Umfeld zu bewegen, weil es permanent auch Falschmeldungen gibt und die Stimmung oft aufgeheizt ist. Noch dazu ist man von den Algorithmen eines US-amerikanischen Großunternehmens abhängig und muss immer wieder auch mit den Veränderungen dieser umgehen. Aber auch hier überwiegen für mich letztendlich die Vorteile.
Du bist sozusagen ein „Kind zweier Welten“, da du sowohl in den herkömmlichen Medien als auch im Internet sehr erfolgreich arbeitest. Inwiefern, denkst du, hat dir die Ausbildung in den herkömmlichen Medien dabei geholfen, deinen YouTube-Channel aufzubauen?
Das war für mich tatsächlich essenziell und ist es auch immer noch. Die professionelle Arbeit in den konventionellen Medien war für mich der Startschuss. Ich habe 2005 im SWR angefangen, habe dort auch später ein journalistisches Volontariat gemacht und lange bei den Kindernachrichten gearbeitet.
Das war für mich wirklich eine gute und wichtige Schule.
„Dinge ausprobieren und das Risiko eingehen, zu scheitern”
Und gerade im Volontariat noch mal den Journalismus von Grund auf zu lernen und zu erfahren, das war für mich wirklich sehr wichtig. Genauso wie das Studium. Ich habe Geschichte studiert und mich dabei auch mit Quellenkritik und Quellenanalyse auseinandergesetzt. Das sind Dinge, die auch bei der journalistischen Arbeit essenziell sind. Und insofern würde ich sagen, hat es mir sehr geholfen, beim Aufbau und der Betreuung meines Kanals.
Gibt es andersherum Dinge, die du durch deine Laufbahn auf YouTube in die Arbeitswelt der herkömmlichen Medien mitnehmen konntest?
Ja, definitiv. Besonders das Prinzip „Trial-and-Error“, dass man Dinge auch einfach mal ausprobiert und das Risiko eingeht zu scheitern, aber gleichzeitig damit auch möglicherweise neue, innovative Ideen umsetzen kann. Das ist bei YouTube deutlich einfacher als im Fernsehen, wenn man eine Sendung konzipiert. Da steckt dann natürlich Unmengen an Arbeit drin und Unmengen an Geld, sodass ein Scheitern gleichzeitig auch wirtschaftlich problematisch sein kann.
Bei YouTube kann das natürlich auch passieren, aber die Aufwände sind vergleichsweise gering. Wenn man mal ein anderes Format macht bei YouTube und das nicht funktioniert, dann macht man halt wieder was anderes. Also die Agilität ist da eine ganz andere und das ist eine Sache, die finde ich auch in den herkömmlichen Medien gut funktionieren würde.
Darüber hinaus habe ich den Blick auf die Zuschauer mitgenommen. Da muss ich immer automatisch mitdenken, wenn ich die Videos mache, weil ich ja auch Rückmeldungen von denen bekomme. Im Fernsehen bekommt man vielleicht mal Zuschauerpost, aber in den Mediatheken von ARD und ZDF zum Beispiel gibt es ja gar keine Kommentarfunktion. Also die Rückmeldemöglichkeit ist da vergleichsweise überschaubar, sodass automatisch eine ganz andere Beziehung zum Publikum entsteht.
Wenn man Videos auf YouTube veröffentlicht, ist für mich zentral an die Zuschauerinnen und Zuschauer zu denken und ich versuche das auch immer wieder bei der Arbeit in den „konventionellen Medien“ auszuspielen.
Wie würdest du ein Plädoyer formulieren, um Menschen zu ermutigen, qualitativen und informativen Content auf YouTube zu produzieren?
Es gibt dort einen großen Bedarf und ein großes Interesse an Informationsvideos. Und dieser Bedarf steigt mit einer zunehmend komplexer werdenden Welt immer weiter an und deshalb lohnt es sich sehr, dort Inhalte anzubieten. Außerdem macht es auch unglaublich viel Spaß. Es ist ein schöner Austausch, den man mit dem Publikum hat und der einem auch dabei hilft, sich weiterzuentwickeln.
Unsere Leserinnen und Leser können sich vielleicht kein teures Equipment leisten. Wie hast du damals gestartet und sind monetäre Investments tatsächlich wichtig oder nötig, um qualitativen Content zu erstellen?
Für mich geht der Inhalt immer vor der äußeren Form. Als ich angefangen habe, hatte ich alles andere als professionelles Equipment. Das sieht man den Videos auch an. Dazu fehlte das Wissen in vielen Bereichen, wie man entsprechend produziert. Aber auch heute, würde ich sagen, muss es nicht das Equipment für mehrere zehntausend Euro sein. Das habe ich auch nicht, sondern es geht mit vergleichsweise überschaubarem Budget.
Wenn ich unterwegs bin, aktuell etwas passiert und ich ein Video drehen muss, dann mache ich das mit meinem Handy. Das hat man sowieso immer in der Tasche. Den Schnitt mache ich am Rechner, dazu spiele ich die Daten vom Handy einfach auf den Rechner und bearbeite sie dort. Und das ist jetzt auch kein sehr teures Schnittprogramm, mit dem ich da arbeite. Insofern kann man dank des Fortschritts im technischen Bereich mit überschaubarem Budget viel machen. Auch eine gute digitale Spiegelreflexkamera, mit der man auch filmen kann, kostet heute nicht mehr zehntausende Euro, sondern liegt preislich deutlich darunter. Insofern geht es auch mit weniger.
Was hättest du gerne bereits zu Beginn deiner Karriere gewusst?
Dieses Prinzip „Trial-and-Error“, welches ich vorhin bereits erwähnt hatte in Bezug auf Videoproduktionen oder generell Erstellung von Inhalten, lässt sich auch aufs Leben anwenden. Ich finde, man muss gar nicht den perfekten Plan für sein Leben haben, wenn man 18 oder 19 ist. Man kann auch die Dinge erstmal auf sich zukommen lassen, Dinge ausprobieren und den Mut haben zu scheitern und es dann noch mal neu zu versuchen.
Es zwingt einen keiner dazu, mit Mitte zwanzig schon voll im Job zu stehen, zwei Kinder zu haben oder Haus und Auto zu besitzen. Man kann auch durchaus erst einmal das Leben genießen und Erfahrungen sammeln. Klar, wenn man natürlich einen ehrgeizigen Plan hat, sollte man den auch verfolgen, aber es muss nicht zwangsläufig sein. Also diese Möglichkeiten, die man als junger Mensch hat, insbesondere direkt nach der Schule, die sollte man nutzen und sich nicht von der Gesellschaft zu sehr unter Druck setzen lassen. Ich hoffe, das war jetzt nicht zu altklug und Boomer mäßig, obwohl ich gar kein Boomer bin, aber manchmal höre ich mich ein bisschen selbst so an.