Obacht, hier geht es um Band 8 (zzgl. 2 aus der Reihe fallende Ausgaben).
Peter Grant lebt im London der Gegenwart und ist nicht nur bei der Polizei, sondern bei einer Sonderabteilung für abstruse (= magische) Fälle und darüber hinaus sogar Magie-Praktizierender. Im Moment ist er undercover bei einem Tech-Start-up eingesetzt, das seine Mitarbeitende als Mäuse bezeichnet und auch sonst allerlei fancy shit im Alltag einsetzt. Doch bei einem Geheimprojekt könnte es um mehr gehen als nur den nächstbesten Algorithmus: Werkelt der Gründer etwa an einer Künstlichen Intelligenz, die ein eigenes Bewusstsein, einen eigenen Charakter entwickelt hat? Oder geht es um Geister, zu Tode gefolterte Menschen und eine Maschine aus der Ada Lovelace-Zeit, die unwissentlich mit Magie getränkt wurde – eine weit größere Gefahr?
Von Anfang an Aufmerksamkeitsstark
Anfänglich verwirren die Wechsel zwischen Januar und dem vorherigen Dezember sowie die Splittung ein- und derselben Person in seine Personae „Jacob“ und „Stephen“. Wenn man da etwas aufmerksamer rangeht, hilft das sicherlich 😉 Ganz grundsätzlich fordert der Autor seine Leserschaft durchaus, denn wenn man die Handlung einfach runterlesen möchte, entgeht einem der wunderbare Rätselspaß, den er in seinen Geschichten versteckt. Inklusive kleinere Ostereier, die Fans natürlich sofort erkennen, das einfachste dürften Titel der vorhergehenden Bände sein.
Female Engineering Deluxe
Ganz wunderbar mutet es an, dass die Geschichte ganz regulär erzählt wird und wie nebenbei die historischen Gegebenheiten rund um Frauen in der Mathematik und Programmierung mit verwebt. Ada Lovelace ist mittlerweile hinreichend bekannt, doch natürlich verdient sie genauso verstärkt Aufmerksamkeit wie ein Alan Turing, ohne diesem seine Erkenntnisse und seine Bedeutung absprechen zu wollen. Bei Ada Lovelace bleibt es nicht und so ergibt sich ein wunderbarer Lerneffekt und Vorbilder werden aus der Vergangenheit in die Gegenwart geholt, ohne mit einer moralischen Keule zu winken. Sehr genial!
Der Titel gibt Hinweise
Die geneigte Leserschaft mag erkennen, was hinter der Namensgebung steckt: Ein weißer Schwan, was soll das sein? Denken wir einmal an das Gegenteil, einen schwarzen Schwan (black swan). Hierzu gibt es ausreichend Literatur, die in ihrer Definition meist etwas in diese Richtung angibt: Eine überraschende technologische Entwicklung, die den Status Quo völlig auf den Kopf stellt und „die Zukunft“ meist in greifbare Nähe rücken lässt. Der weiße Schwan dieser Analogie ist also eine Entwicklung, die zwar überraschend auftreten mag, aber nicht für „die Zukunft“ sorgt. Allein solche Details beweisen vom Cover an, wie durchdacht die Geschichten von Ben Aaronovitch sind.
Tauglich für Quereinsteiger
Auch als Quereinstieger ist das Buch eine Möglichkeit: Einerseits werden im Buch immer wieder frühere Geschichten referenziert, wobei sich das a) in Grenzen hält und b) eben eine kurze Erinnerung ist (wenig mit der aktuellen Handlung gemein). Meistens dienen die Erinnerungen eher als Erklärung, warum er mal eben einen Kontakt beim FBI hat, sie sich in der magischen Welt einigermaßen zurechtfindet. Dennoch hat man bisweilen das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Daher ist es schon empfehlenswert, zumindest das erste Buch gelesen zu haben, um ein Grundfeeling für die restliche Reihe und insbesondere dieses aktuelle Buch zu haben.
Fazit: Eine Fortsetzung mit maximaler Qualität!
Ben Aaronovitch. Ein weißer Schwan in Tabernacle Street.
dtv premium. 15 Euro.