Buch 1 von 3
Kai und Kalliope sind beste Freunde – bis sich eines Sommers seltsame Gedanken einschleichen. Hat er den Sommer auf dem Bauernhof mit einem Mädchen verbracht? Kalliope fühlt sich zunehmend gehemmt und muss diesen neuen Gefühlseindrücken erst einmal Herr werden, dabei erzählen sie sich sonst einfach alles. Ihre Befangenheit ist deutlich zu merken, denn die Unterhaltungen mit Kai sind nicht mehr ausschließlich offen und gerade heraus, sondern seltsam verschlungen, von geheimen Fragen hinter den Fragen geprägt.
Als wäre das nicht genug, bewegt sich sogar endlich in ihrem kleinen Städtchen etwas, als Blumenkinder und andere Hippies auftauchen, deren Forderungen und Lebensvorstellungen bei Kalliope bis ins Mark vibrieren. Gibt es wirklich andere Gleichgesinnte, mit denen sie sich gegen den Druck der steifen, vom Krieg geprägten Elterngeneration behaupten kann? Für Kalliope beginnt ein abenteuerlicher Weg zu sich selbst, ein ganz besonderer Kalliope-Strudel, in den sie ihren Kai unwiderruflich mit hinein zieht. Ein Strudel, der vieles durcheinander wirbelt, aber unsere beiden Flower Power-Kinder vielleicht alle beide zu neuen Wegen führt …
Der Leseeindruck
Während es wie eine Coming-of-Age-Liebesgeschichte beginnt, verändert sich der Fokus allmählich zu einem ernsthafteren Thema oder fast schon Vorschlag seitens der Autorin. Am Ende geht es im Kern darum, wie sehr man sich von Geschichten und Erfahrungen der vorherigen Generationen beeinflussen lässt. Dazu passt auch, dass wir nicht erfahren, wie es mit Kai und Kalliope in späteren Jahren weiter ausgeht, denn die Geschichte endet mit dem großen Abenteuer und einer festen Entscheidung. Was ich als Vorschlag wahrgenommen habe, ist dass man sich selbst finden und dabei die vorherigen Generationen als kraftgebendes Nest wahrnehmen kann und nicht alles eine Bedrohung für das eigene Selbst ist, nur weil es den vermeintlichen Ansprüchen anderer nicht gerecht wird. Man kann Orientierung finden, aber muss ihr nicht folgen. Kann sich in diesem Nest sicher fühlen, aber doch ganz anders sein, denken und fühlen.
Die Geschichte selbst ist eher unüblich erzählt, zumindest anhand meiner eigenen Leseerlebnisse der letzten Monate gemessen. Wie bereits erwähnt, beginnt es eigentlich als Liebesgeschichte und unterschwellig geht es sicherlich auch immer darum, ob es einen Weg für Kai und Kalliope, Kalliope und Kai geben wird. Das Hauptziel aber scheint es nicht zu sein und damit folgt die Geschichte nicht einem roten Faden, der zwangsläufig zu einer bestimmten Entscheidung führen muss. Stattdessen erlebt man jenseits des leicht verborgenen roten Fadens jede Menge Abenteuer, bei denen man in einem roten Auto durch das Land fährt und auch einfach mal beim Zirkus anheuert.
Die Freude der Autorin am Erzählen merkt man diesem Buch ganz deutlich an. Sie lässt den beiden Charakteren Zeit, sich auszuprobieren und zu durchdenken. Das mag für manche:n Leser:in wie eine Länge wirken, erfordert aber schlicht ein Umdenken bei der Leserschaft: Nicht jede Geschichte geht schnurstracks auf den Höhepunkt zu, diese hier mäandert ein wenig durch die subjektive Weltgeschichte.
Ein kleiner, nicht unwichtiger Hinweis ist das Nachwort. Hier schreibt die Autorin selbst, dass sie ihrer Protagonistin bisweilen Gedanken mitgegeben hat, die für diese Zeit schon arg progressiv wirken. Das ist okay so und durch das Nachwort tut sie auch nicht so, als wäre alles historisch akkurat. Vielmehr listet sie dort auch alle Ereignisse auf, bei denen die Interpretation oder Umdichtung zum Einsatz kam. Wenn dir eine Verkehrslinie also als „geschichtlich seltsam“ auffällt – das war Absicht.
Das Fazit? Eine schöne Geschichte, aus Teenagersicht geschrieben, wenig fake-Glamour, ausgewogene Charaktere. In das Buch kann man sich fallen lassen und mit auf Tour gehen.
Bettina Riedel (academicworld.net)
Sophie Bichon. Wenn die Sterne fallen.
Heyne Verlag.