David sitzt im Gefängnis – für den verdammt brutalen Mord an seinem Sohn Matthew, als dieser 2 oder 3 Jahre alt war. Er war es nicht, denkt er. Nicht einmal in einem Wutrausch würde man das als Vater machen, oder? Aber es gibt Zeugenaussagen und Beweisstücke, die ihn eindeutig überführt haben.
Aus dem Nichts taucht nach 5 Jahren seine ehemalige Schwägerin Rachel auf, die ihm ein Foto mitbringt: Im Hintergrund ein Junge, der verteufelt echt nach Matthew aussieht. Oder aussehen könnte, wenn man die fünf Jahre Entwicklung bedenkt … David lässt sich von Rachel überzeugen, doch wie soll er bitte im Gefängnis die Ermittlungen übernehmen, zumal ihm dort nicht zum ersten Mal nach dem Leben getrachtet wird? Er bricht aus und setzt damit Ereignisse in Gang, die nicht nur ein Leben massiv verändern werden.
Der Leseeindruck
Es ist leider einigermaßen vorhersehbar. Sobald der Auftakt der Geschichte auch nur den allerersten Zweifel daran hegt, dass Matthew wirklich ermordet wurde, ist klar, dass er lebt. Als dann die Antagonisten endlich eingeführt werden, kann man sich relativ vollständig denken, was damals passiert ist. Es fehlen nur die Details und dafür muss man sich erst mal durch weitere 150 Seiten lesen. Ist es das wert?
Tendenziell eher nicht. Durch die Vorsehbarkeit fehlt es leider von Anfang an an Spannung. Die Charaktere sind leicht eingängig, aber eben auch etwas zu oberflächlich, um wirklich auf ihrer Seite zu stehen. Manche sind auch nur dafür da, an einem Punkt der Geschichte kurz nützlich zu sein und prompt verschwinden sie von der Bildfläche.
Neben der Geschichte geht der Autor auch auf aktuelle, soziale Aspekte ein. Leider kommt man nicht ganz umhin, ein gewisses Gefühl zu bekommen. Nämlich, dass er einer älteren Generation angehört, der das gendern, respektive das ganze Wokeness-Erwachen, zu viel sein könnte. Da gibt es zwei, drei Aussagen, die das Buch dann punktuell etwas anstrengend machen. Er hätte sie schlicht weglassen können, es trug zur Handlung nicht das geringste bei. Dazu die wenig überraschende Aussage, dass genug Geld dafür sorgt, dass manche Menschen vor dem Gesetz anders behandelt werden – es ist nichts Neues, es ist nichts Spannendes.
Wer nicht wirklich fokussiert darauf ist, eine Thriller-Auflösung in allen Details zu inhalieren, wird an diesem Buch nur bedingt Freude haben. Zu viele Stereotype, etwas zu lasch geschrieben und die verwendeten Krimi-Kniffe sind nichts neues. Insgesamt liegen bei einem Harlan Coben-Buch die Messlatten deutlich höher und so erreicht er sich selbst nicht. Ein wenig wirkt es ähnlich wie bei Lee Child mit seinem Protagonisten „Jack Reacher“: Zu viele Bücher (über 30), sodass es irgendwann einfach schwer wird, etwas Neues, Spannendes erzählen zu können. Statt aber sich Zeit nehmen zu können für Inspiration, erfahren gerade Autoren oft den Druck, ständig etwas nachschieben zu müssen. Insofern ganz viel Verständnis dafür, dass man die eigene Messlatte nicht immer erreichen oder gar überwinden kann, aber am Ende ist das Buch leider so weit weg von bisherigen Erfolgen, dass ich meine Zeit lieber mit einem reread eines älteren Werks verbringen möchte.
Harlan Coben. Nur für dein Leben.
Goldmann Verlag.