In der Brust der Hafenstadt Caraza schlagen zwei Herzen: Im Viertel Evergarden lebt die Nouvelle Noblesse, eine reiche Gesellschaftsschicht mit quasi Adeligen und angeführt von fünf Familien, die ihre Macht aus Magie und magischen Wissen – und dem Daumen auf diesen Geschäften – beziehen. Im Elendsviertel, am Hafen, leben die, die für die fünf Familien arbeiten – oder anderweitig „kreativ“ überleben.
Inmitten der kriminellen Banden lebt Marlow in den Marschen, seit sie vor einem Jahr Evergarden verlassen musste – und ihre Mutter spurlos verschwand. Seither verdingt Marlow sich als Fluchbrecherin, was sie bei verschiedensten Mitmenschen nicht gerade sympathisch macht. Dann taucht noch Adrius Falcrest auf, ihr ehemaliger Schwarm aus der Nouvelle Noblesse. Er hat sie vor einem Jahr nicht nur wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen, sondern ist auch verflucht und braucht dringend ihre Hilfe …
Leseeindruck
Das Worldbuilding ist spannend und übersichtlich sogleich – die Differenzierung auf 2 Gesellschaftsebenen setzt direkt viele Emotionen frei und man weiß einigermaßen, was auf einen zukommt. So kann man sich fix auf Marlow einlassen und die Art und Weise, wie in Caraza Magie gewebt wird. Wenn es um Marlow geht, haben wir es mit einer jungen Frau zu tun, die ohne elterlichen Halt in einer für Frauen eher unfreundlichen Welt lebt. Ihr Charakter ist also noch nicht ganz entwickelt und sie ist offenbar etwas unsicher. Wer so viele Enttäuschungen erlebt hat, denkt eben auch schnell mal negativ. Nichtsdestoweniger ist Marlow schon ein Beispiel für etwas arg emotionales Denken, samt voreiliger Schlüsse. Glücklicherweise löst die Autorin solche Szenen gerade rund um Adrius recht schnell auf, sodass die eigentliche Handlung wieder im Fokus steht.
Natürlich geht es nicht nur um Flüche, sondern auch die aufkeimende Romanze zwischen Adrius und Marlow – dabei hat man als Leser:in immer etwas die Nase vorn. Ein sehr probates Mittel, um Ungeduld in der Leserschaft auszulösen, gepaart mit der Frage, wann sie es endlich verstehen und aufwachen 😀 Insofern macht das Lesen viel Spaß und zieht die emotionale Welt der Lesenden mit ein. Auch Nebencharaktere gefallen sehr gut, gerade Marlows bester Freund Swift ist eine wertvolle Ergänzung. Er übernimmt ein wenig die fehlende Führung der verschwundenen elterlichen Generation und sagt ihr an einer Stelle auch extrem deutlich, was sie falsch gemacht hat. Perfekt eingepasst in die Geschichte wird jungen Menschen so ein Praxisbeispiel gezeigt, wo und wie persönliche Grenzen überschritten wurden. Auch damit erhebt sich dieses Jugendbuch über eine nette Erzählung hinaus und erhält charakterliche Tiefe.
Pluspunkte gibt es außerdem rein aus Sympathie mit den fantastischen Fluchausdrücken und Beschimpfungen, die bar jeglicher Verunglimpfung anderer Menschen sind. „Sumpfrattenkacke“ sollte jede:r in den eigenen Wortschatz aufnehmen. Minimal Abzug bekommt nicht das Buch, sondern die Herstellung des Verlags: Bitte schreibt wieder auf die Umschlagsseiten, wenn ein Buch der Auftakt zu etwas ist – in diesem Fall zu einer Dilogie, was man erst erkennt, wenn man am Ende der Geschichte den zweiten Band abgebildet sieht. Dieser erscheint übrigens im Juni 2025.
Katy Rose Pool. Garden of the Cursed.
cbt Verlag. 14 Euro.
Wer mehr von der Autorin lesen möchte, kann bei den Rezensionen von Age of Darkness vorbeischauen.