Walter Moers, der Schöpfer des fantastischen Kontinents Zamonien, hat erneut zugeschlagen. Mit „Das Einhörnchen, das rückwärts leben wollte“ entführt er seine Leser in eine Welt voller skurriler Figuren und anarchischem Humor. In zwanzig neuen Flabeln stellt er den zamonischen Alltag auf den Kopf. Bekannte Themen wie Identität, Gesellschaft und Humor werden in seiner typischen Mischung aus Ernst und Satire aufgegriffen. Im Interview spricht er über die Bedeutung von Humor, die Herausforderungen des Schreibens und warum es manchmal wichtig ist, sich selbst zu überraschen.
Erst einmal vielen Dank, dass Sie die Erzählungen von Herrn Mythenmetz übersetzt und adaptiert haben. Die Figuren in Ihrem neuen Buch scheinen alle mit ihrer Identität zu kämpfen. Soll sich eine bestimmte Zielgruppe in diesen Geschichten wiedererkennen?
Um ehrlich zu sein, hatte ich beim Schreiben noch nie eine bestimmte Zielgruppe im Kopf. Das Konzept einer Zielgruppe ist mehr eine Erfindung der Marketingabteilungen. Wenn ich mir jedoch etwas wünschen dürfte, dann wäre es, dass die Leser – wer auch immer sie sind – eine gewisse Bereitschaft mitbringen, sich einfach gut zu amüsieren.
Das klingt nach einer wunderbaren Einladung in die zamonische Welt! Allerdings fällt auf, dass der Humor in diesen Geschichten oft sehr düster ist. Die Erzählungen scheinen manchmal zynisch und sarkastisch, obwohl das Motto doch „Make laugh, not war“ lautet. Wie passt das zusammen?
Ich finde den Humor im „Einhörnchen“ eher versöhnlich, im Vergleich zu manchen Sachen, die ich meinen Lesern vorher schon zugemutet habe. Das Motto ist keine Kampfansage, sondern das Gegenteil. Das heißt aber nicht, dass es deswegen harmlos zugehen muss.
In Ihren Geschichten finden sich oft gesellschaftliche Themen, die scharf kritisiert werden, sei es Kapitalismus, Rentenvorsorge oder menschliches Verhalten im Allgemeinen. Schleicht sich da die menschliche Realität in die fantastischen Welten Zamoniens ein?
Die menschliche Realität ist in meinen Büchern eigentlich immer anwesend, auch wenn meine Figuren manchmal Schuppen tragen oder 500 Jahre alt werden. Es kann allerdings sein, dass sie durch die Zuspitzung, die sie in diesen Kurzgeschichten erfährt, etwas deutlicher hervortritt. Ich musste mich diesmal kürzer fassen als in meinen Romanen.
Zamonien ist ein riesiges, komplexes Universum, das Sie über viele Jahre hinweg aufgebaut haben. Wie schaffen Sie es, immer wieder neue Figuren und Geschichten zu entwickeln und diese Welt weiter zu erweitern?
Wenn es so etwas wie ein Prinzip gibt, dann das, mir selbst immer wieder etwas Neues zu erzählen, mich selbst beim Schreiben zu überraschen. Das hält die Geschichten lebendig und spannend, sowohl für mich als auch für die Leser.
Wenn Sie die Möglichkeit hätten, eine zamonische Kreatur in der realen Welt zu treffen, welche wäre das und warum?
Das wäre definitiv Hildegunst von Mythenmetz. Es wird ja gelegentlich unterstellt, dass er mir ähnelt. Wäre schon interessant, mir selbst zu begegnen.
Schreiben oder Illustrieren – was macht mehr Spaß?
Mir macht beides gleich viel Spaß, jedes zu seiner Zeit. Zeichnen ist meditativer und entspannender, Schreiben ist mental anstrengender. Je nachdem, was gerade besser zu meiner Verfassung passt.
Walter Moers ist ein deutscher Schriftsteller, Comiczeichner und Illustrator, der vor allem durch seine fantastischen Romane aus der fiktiven Welt Zamonien bekannt wurde. Zu seinen bekanntesten Werken zählen „Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär“, „Die Stadt der Träumenden Bücher“ und „Rumo & Die Wunder im Dunkeln“. Seine Geschichten zeichnen sich durch ihren unverwechselbaren Humor, ihren kreativen Sprachwitz und ihre satirischen Elemente aus. Er ist bekannt für seine Zurückhaltung in der Öffentlichkeit und gibt nur selten Interviews. Moers lebt und arbeitet in Hamburg.