Was können wir von den Lebenswegen anderer lernen? Die Ingenieurin Fatme Akar, Migrantin mit libanesischen Wurzeln, hat ein Logistikunternehmen gegründet und berichtet davon, wie wichtig es ist, immer an sich selbst zu glauben – auch wenn die Hürden unüberwindbar scheinen.
Nachdem ich mein Abitur gemacht habe, wusste ich noch gar nicht wirklich, was ich machen will. Damals hatte ich schon meinen Mann kennengelernt, der in der IT-Branche tätig war und der hat mich auf die Idee gebracht, Informatik zu studieren. Ich habe mich dann erstmal für das Informatikstudium eingeschrieben, musste aber einsehen, dass das Fach für mich vorne und hinten nicht gepasst hat. Zu trocken und zu theoretisch – es hat mich einfach nicht gepackt. Deshalb war meine IT-Karriere schon nach einem Semester zu Ende (lacht).
Zu der Zeit war ich auch schon schwanger, sodass ein anderes Studium erstmal nicht infrage kam für mich – auch, weil es mir damals gesundheitlich nicht so gut ging.
Nachdem ich dann 2012 meine Tochter auf die Welt gebracht hatte, wollte ich unbedingt wieder loslegen mit einem Studium. Meine Eltern haben immer sehr viel Wert auf Bildung gelegt und mir angeboten, dass sie sich um meine Tochter kümmern werden, wenn ich an der Hochschule bin.
Weil ich in der Schule gut in Mathematik gewesen bin und mich Technik schon immer interessiert hat, habe ich mich dann für die Ingenieurswissenschaften entschieden. Trotzdem hatte ich damals Selbstzweifel, ob ich das alles schaffen würde. Ich hatte schließlich schon einmal mit einem Studium daneben gelegen. Diese Unsicherheit verflog, nachdem ich relativ schnell Kommilitonen kennengerlent hatte. Schnell soziale Kontakte in einer neuen Umgebung zu knüpfen, halte ich für sehr wichtig. Dies wäre auch mein erster Rat an Abiturientinnen und Abiturienten: Im Studium fühlt man sich anfangs sehr orientierungslos, weil man leicht das Gefühl bekommt, alleine dazustehen. Daurch wird ein Studienstart viel beschwerlicher, als wenn man sich mit anderen „Ersties“ durch die neue Umgebung kämpft.
Mein Studienbeginn als Mutter einer neun Monate alten Tochter war etwas holpriger und auch danach war es manchman sehr hart, immer allem gerecht werden zu müssen. Trotzdem habe ich mein Studium in der Regelstudienzeit absolviert und sogar ein Auslandssemester mit meiner Tochter erleben dürfen. Heute kann ich sagen: Das waren die fünf schönsten Jahre meines Lebens, aber auch die schwierigsten. Und ohne die Unterstützung meiner Eltern und meines Partners hätte ich dieses schwere Studium niemals geschafft – und das sogar mit Einserschnitt.
„Seid stolz auf euch und glücklich über alles, was ihr erreicht”
Heute bin ich sehr stolz darauf, weil ich denke, dass dies schon eine große Leistung war, die ich da vollbracht habe. Ich empfinde mich selbst als eine starke Persönlichkeit, die immer sehr hohe Erwartungen an sich selbst hat. Manchmal setze ich mich dadurch selbst sehr unter Druck, aber das sorgt dann auch für gute Ergebnisse. Deswegen kommt hier meine zweite Empfehlung: Es ist ganz wichtig, dass man sich erlaubt, stolz auf und glücklich über seine Leistungen zu sein, denn diese (Vor-)Freude motiviert am meisten.
Mit meiner Firma bin ich in einer Männerbranche tätig und darf sagen, dass ich mich als eine von ganz wenigen Frauen schon eher einsam fühle im beruflichen Umfeld. Aber aus meiner Studienzeit ist mir das ja vertraut: Als ich damals zum ersten Mal in Duisburg in einen Hörsaal mit 1500 Menschen ging, dachte ich mir „Oh, schön, da sind aber viele Frauen“. Als die sich aber umgedreht haben, habe ich erkannt, dass das alles Männer mit langen Haaren waren. Also das war wirklich der Schock meines Lebens, weil ich mich fragte „Wo sind denn hier die ganzen Frauen hin?“
Klar, ich würde es begrüßen, wenn es mehr Frauen in MINT-Berufen geben würde. Technik ist generell eine so spannende Sache, dass jedes Geschlecht dazu Zugang finden sollte. Wir sollten viel mehr – und insbesondere auch schon mit kleinen Mädchen oder jungen Frauen – über technische Berufe sprechen und diese motivieren. Es fehlt uns Frauen ja nicht an Intelligenz, sondern an Mut, weil die Gesellschaft Frauen in andere Rollen drängt! Viele Mädchen und Frauen haben das Potenzial, aber lassen sich das ausreden. Meine starke Persönlichkeit und die Tatsache, dass ich nicht auf den Mund gefallen bin, haben mir geholfen, mich in einer technischen Branche zu behaupten.
Im Jahr 2023 habe ich dann meine Firma AK Power Logistics gegründet und bin heute bereits für mehr als 50 Mitarbeitende verantwortlich. Die Idee, mich mit Transportdienstleistungen selbstständig zu machen, kam mir in meiner Elternzeit. Ich hatte schon immer die Leidenschaft, Menschen zu führen und habe auch ein sehr ausgeprägtes Organisationstalent. Das Studium hat mir das selbstständige Lernen beigebracht, das mir bei diesem ganzen Prozess der Unternehmensgründungsehr geholfen hat. Dieses eigenständige Lernen gehört meiner Meinung nach auch zu den besten Softskills, die du erlernen kannst – das wäre Tipp Nummer drei. Die Logistikbranche fand ich schon immer sehr interessant und habe dann alles über die Marktchanchen recherchiert. Zum Start musste ich Mitarbeitende finden, einen Fuhrpark zusammenstellen und mich dann als Transportdienstleister bei großen Firmen für Aufträge vorstellen.
Ich habe mich dann mit meinem Unternehmen bei Amazon beworben. Der Weg zum Partner ist ein sehr schwerer Prozess. Es waren mehrere Bewerbungsstufen, wo ich über zwei Monate geprüft wurde, mit vielen Managern gesprochen habe und mehrere Präsentationen halten musste. Am Ende muss ich sagen, dass ich zur Unternehmerin geworden bin, weil ich eine große Neugierde habe, wie ich mich weiterentwickeln kann. Und dann hat sich herausgestellt, dass ich tatsächlich ein Talent dafür habe, etwas aus dem Nichts zu erschaffen. Mein letzter Rat ist also: Keine Hürde ist zu hoch, kein Ziel zu fern.
Welcher MINT Studiengang passt zu dir? Hier geht es zu unserem Leitfaden.
Frauen mit MINT Hintergrund die die Zügel in die Hand genommen haben, davon gibt es einige. Hier geht es zu Katja Wadlinger die ein Start-up für Fensterfolien gegründet hat.