Prof. Dr. Gunther Gust über KI an Hochschulen

Stell dir Folgendes vor: Du hast dir eine Hochschule ausgesucht, weil sie in den Rankings ganz oben mitspielt. Aber die Reputation wurde gewonnen in einer analogen Zeit, in der KI keine Rolle spielte. Die Professorenschaft hält also ihre Vorlesungen auf Basis ihrer vergilbten Skripte – und du wirst nicht vorbereitet auf das KI-Zeitalter. Wir baten den Experten Gunther Gust um Lösungsideen.

Künstliche Intelligenz durchdringt derzeit viele Berufe und Lebensbereiche. Vor einigen Jahren hätte man noch vermutet, dass eher niedrigqualifizierte Berufe durch KI bedroht werden – man denke beispielsweise an die mögliche Substitution von LKW-Fahrer:innen durch autonome Fahrzeuge. Seit der Verbreitung von ChatGPT und vergleichbaren Sprachmodellen wird klar, dass durch KI auch wissensintensive Tätigkeiten und Berufe, die eine universitäre Ausbildung benötigen, automatisiert oder zumindest erleichtert werden können.

Wenn du als Abiturient:in bereits Sprachmodelle wie ChatGPT verwendet hast, hast du womöglich bereits selbst erfahren, wie stark KI Arbeitsabläufe in Schule und Alltag vereinfachen und beschleunigen kann. Berufsbilder und Studiengänge, die zukünftig durch KI beeinflusst werden, gehen weit über die Informatik (der die KI-Algorithmen entspringen) oder die Wirtschaftsinformatik (die sich mit den Anwendungen der KI-Algorithmen beschäftigt) hinaus.

Neben den Ingenieursdisziplinen (wie zum Beispiel Maschinenbau), wo KI in immer mehr technische Produkte und Systeme (wie zum Beispiel autonome Fahrzeuge) integriert wird, sehe ich wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge, insbesondere die Betriebswirtschaftslehre (BWL), als besonders betroffen an: Unternehmen aller Branchen, von den Finanzen über die Industrie bis hin zum Bausektor, digitalisieren derzeit ihre Abläufe. Diese Unternehmen – und entsprechend deren zukünftige Manager:innen – sind klar im Vorteil, wenn sie mithilfe von KI in der Lage sind ihre Prozesse zu automatisieren oder bessere Entscheidungen zu treffen.

Gleichermaßen werden immer mehr Startups gegründet, die mit innovativen KI-basierten Dienstleistungen ihr Geld verdienen. Als Folge dieser Entwicklungen sind Uni-Absolvent:innen, die ein gewisses Verständnis für KI mitbringen, besonders begehrt. Wenn du also vor der Wahl deines Studiengangs und deiner Wunschuniversität stehst, ist es sehr sinnvoll darauf zu achten, inwiefern KI-bezogene Kompetenzen im Studium vermittelt werden.­
Die rasante Entwicklung im Bereich KI haben Universitäten längst aufgegriffen, wenn auch zu unterschiedlichen Graden. Im Fachbereich Informatik und Mathematik gibt es mittlerweile an sehr vielen Universitäten spezialisierte Studiengänge zu KI und/oder Data Science (zu Deutsch: „Datenwissenschaft“).

„Interessanter Studiengang aus moderner BWL und angewandter KI an der Uni Würzburg“

In angrenzenden Disziplinen, wie zum Beispiel der Wirtschaftsinformatik oder dem Wirtschaftsingenieurwesen, können KI-bezogene Vorlesungen üblicherweise zumindest wahlweise besucht werden (dies sollten Sie allerdings im Vorhinein prüfen). Es gibt allerdings auch immer mehr Studiengänge, die gemäß der sich verändernden Anforderungen der Arbeitswelt KI-Inhalte mit einer gewöhnlichen Studienrichtung kombinieren. Ein solches Beispiel von meiner Universität ist der Studiengang „Digital Business & Data Science“, der sich mit betriebswirtschaftlichen Aspekten der Digitalisierung beschäftigt und Studierenden KI-Werkzeuge zur Analyse großer Datenmengen an die Hand gibt – sozusagen also eine Mischung aus moderner Betriebswirtschaftslehre und angewandter Künstlicher Intelligenz.

Um als Studieninteressierte zu erkennen, ob und wie KI-Kompetenzen in einem Studiengang vermittelt werden, bietet sich zuerst ein Blick in die Studiengangs- und Studienverlaufsbeschreibungen an, wie sie oft auf den Homepages der Universitäten zu finden sind. Gerade bei Studiengängen außerhalb der Informatik, die nicht originär auf KI spezialisiert sind, kann es jedoch sein, dass aufgrund der Vielzahl an gängigen Fachbegriffen der KI-Bezug für den/die Studienanfänger:in nicht direkt ersichtlich ist. Oft verbergen sich KI-Inhalte auch unter Vorlesungsbezeichnungen wie „Data Science“, „Machine Learning“, „Statistical Learning“ oder die Vorlesungen sind nach den Einsatzgebieten der KI betitelt (zum Beispiel ­„Entscheidungsunterstützende Systeme“).

Hier hilft dann ein tieferer Blick in die Studiengangsdokumente, wie zum Beispiel in das Modulhandbuch. Schließlich empfehle ich für die Studiengängen, die bei euch in der Endauswahl sind, auch vor Ort die Studieninformationstage zu besuchen und, falls möglich, Kontakte zu Bekannten zu nutzen, die den Studiengang persönlich kennen. Letztlich bleibt noch mein Rat vor der Entscheidung, sich mit KI im Studium auseinanderzusetzen, sich ehrlich die Frage zu stellen, wie groß das eigene Interesse an KI-Technologien und was sich hinter ihnen verbirgt tatsächlich ist. Je nach der Tiefe des Interesses, kommen originäre, informatiknahe KI-Studiengänge; Schnittstellenstudiengänge wie „Wirtschafts- informatik“, „Digitale Wirtschaft“ oder ähnliche in Frage – oder eben doch ein ganz anderer Karriereweg.

Immer wieder begegne ich Studierenden, die durch die Aktualität des Themas KI oder durch die sehr guten Berufsperspektiven unbedingt eine KI-bezogene Vorlesung besuchen oder gar eine Abschluss- arbeit zum Thema KI schreiben möchten, aber nicht bereit sind, tiefer in die Thematik einzusteigen. Ein guter Indikator für die eigene Lernbereitschaft und -fähigkeit, kann das bisherige Interesse für Zahlen und Logik sein, beispielsweise an den Schulfächern Mathematik oder, sofern vorhanden, Informatik oder Programmierung. Schließlich können KI-Kurse auf Online-Lernplattformen eine weitere Orientierungshilfe sein, für die oft wenige Vorkenntnisse verlangt werden, lediglich eine Bereitschaft zum Tüfteln und ­Ausprobieren.

Autor Prof. Dr. Gunther Gust hat am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Wirtschaftsingenieurwesen studiert. Seit 2022 hat der den Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und KI im Unternehmen an der Julius-Maximilians-­ Universität Würzburg inne und ist dort Teil des Centers für Artificial Intelligence and Data Science (CAIDAS), einer interdisziplinären KI-Forschungseinrichtung.

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