Hoch in den Bergen liegt die Siedlung Jakobsleiter, abgeschieden von der modernen Welt. Hier gelten die Regeln der Natur – rau, erbarmungslos, aber verlässlich. Das denkt zumindest Jesse. Ihm und den anderen Kindern von Jakobsleiter wurde eingetrichtert, dass alles Böse unten in der Stadt wohnt. Doch seine Freundin Rebekka glaubt nicht daran, sie will die Siedlung verlassen. Dann verschwindet Rebekka. Und sie ist nicht die Einzige. In der Bergregion werden immer wieder Frauen vermisst. Nur die Journalistin Smilla, die vor Jahren ihre Freundin Juli in der Gegend verloren hat, sieht einen Zusammenhang. Erst recht, als ihr ein verwahrlostes Mädchen vors Auto läuft, das verblüffende Ähnlichkeit mit Juli hat. Das Misstrauen gegenüber den Bewohnern von Jakobsleiter wächst, und nicht nur Jesse wird Opfer von brutalen Angriffen. Währenddessen gerät Smilla einem Geheimnis auf die Spur, das alle vermeintlichen Wahrheiten aus den Angeln hebt …
Atmosphäre
Durch den tollen Schreibstil der Autorin wird eine düstere, fast schon bedrückende Atmosphäre geschaffen. Wir Leser:innen werden in eine uns eher unbekannte Welt voller Isolation, Dunkelheit, Geheimnisse und tiefster menschlicher Abgründe geführt. Oder ist es nicht befremdlich, dass es (fiktiv) ein kleines Dörfchen hoch in den Bergen gibt, in dem überwiegend Männer leben und nur zwei Frauen und drei Kinder leben. Dazu kommt, dass der komplette Fortschritt (Elektrizität, Technologien und ordentliche Toiletten) strengstens abgelehnt werden. On top kommt ein „Priester“, welcher als Führer der zurückgezogenen Zivilisation fungiert und ein verschobenes Weltbild predigt. Dazu kommt die Szenerie mit dem dunklen Wald und dem kleinen Dorf im Tal. So wird die Atmosphäre bedrückend und spannungsgeladen.
Protagonisten und Nebenfiguren
Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Das bringt zu der tollen Atmosphäre noch mehr Spannung und fesselt uns Leser:innen durch die geschickt platzierten Cliffhanger. Es wird aus Smillas Sicht geschrieben und ihrer Suche nach den Hintergründen des Verschwindens ihrer Freundin. Auch Jesses Suche nach Rebekka und Eindrücke und Handlungen der (freiwillig) stummen Edith, die mehr sieht und weiß, als viele ahnen. Alle Handlungsstränge bringen Stück für Stück schockierende Geheimnisse und Ereignisse ans Tageslicht und laufen am Ende zusammen.
Besonders schockierend, war der Umgang der Dorfbewohner gegenüber der Siedlung. Die am Anfang – für uns Leser:innen – nicht greifbare Ablehnung und das Misstrauen der Jakobsleitner gegenüber der Dorfbewohner wird plötzlich nachvollziehbar. Und das auf schockierende Art und Weise. Leider sehr realistisch, da solche Szenarien auch außerhalb der Fiktion passieren können und leider auch passieren. Was gemeint ist: verbale und handgreifliche Übergriffe der Dorfbewohner, besser gesagt ein Mob, gegenüber den Bewohner der Bergsiedlung. Auch auf die Kinder …
Kleine Logiklücken
Eine kleine Kritik habe ich aber doch noch zum Ende. Für mich war es nicht ganz nachvollziehbar, wie die Bewohner von Jakobsleiter, Geld für Einkäufe im Dorf haben. Jobs wurden nie erwähnt und da sie alles fortschrittliche ablehnen und somit wohl auch kein Konto haben auf dem „Arbeitslosengeld“ eingeht, war es für mich etwas verwirrend. Auch, dass die Kinder (Bspw. Jesse) wissen, was Social Media ist, fand ich mit dem Hintergrund der Siedlung etwas befremdlich und es wurde nicht erklärt, wie sie sich das Wissen aneignen konnten.
Fazit
Der Thriller hat von allem die richtige Prise: Düsternis, gelungenes Setting, spannende Figuren mit Background und ein unvorhersehbares, gelungenes Ende.
Vera Buck. Wolfskinder
rowohlt. 17,00 Euro.