Obacht, hier handelt es sich um Band 1 von 2 (was man leider erst im hinteren Innenteil des Umschlags erfährt).
Die Stadt, die wir als Liverpool kennen, ist ein leuchtendes Symbol für Gleichberechtigung zwischen Fairies, anderen Lebewesen und den Menschen. Hier muss sich niemand verstecken – „Fairie Golden Town“ eben. Die menschlichen Rassisten, die sonst im Land weit verbreitet sind und viel Zulauf haben, spielen hier keine Rolle und so verwundert es nicht, dass die Stadt auch im Sozialen anderen Regeln folgt.
Liverpool / Fairie Golden Town ist auch das Ziel von Bria, Tochter einer legendären Diebin und Mitglied der diebischen Gilde – ohne jedoch einen nennenswerten Coup vorweisen zu können. Sie will ihr Können beweisen und den Siegelring des Mannes stehlen, der Liverpool inoffiziell regiert – Samuel, der wider Erwarten sehr menschlich ist und keineswegs nur das Monster, das sie sich immer vorgestellt hat. Doch Gefühle machen nicht nur den geplanten Coup komplizierter, sondern sorgen auch für allerlei unerwartete Verwicklungen – bis am Ende buchstäblich die ganze Stadt in die Luft fliegen könnte …
Der Leseeindruck
Die Romanze übernimmt schnell einen großen Teil der Handlung, was an sich nicht schlimm ist. Überraschend zeigt sich vielmehr, dass die Liebesgeschichte trotzdem relativ flach bleibt. Es wird geschrieben, dass ihre gegenseitige Zuneigung ansteigt. Nebencharaktere sind dazu da, um festzustellen, dass da wohl was in den Augen und Blicken zwischen ihnen sei. Aber fühlt man das? Woran machen sich die Gefühle fest? Dafür, dass die Romanze so präsent ist, fehlt mir persönlich hier etwas mehr emotionale Verbundenheit oder Erlebnisse, die einen als Paar prägen.
Die Sprache ist malerisch und ein bisschen ausschweifender, bis hin zu einem genießbaren, leicht komplizierten Satzbau. Das gefällt mir sehr gut und gehört perfekt in das Setting einer älteren Zeit, in der Dinge nicht ganz einfach waren. Leider bricht diese Stimmung ziemlich unschön, wenn es um die Spice-Szenen geht und super explizite Sprache verwendet wird. Das passt einfach nicht in das Setting, bricht mit dem vorher etablierten Stil und es wundert mich extrem, dass es durchs Lektorat gewunken wurde.
Was außerdem stört, ist die Rolle der kleinen Fee, die schließlich den uralten, mächtigen Dämon eingefangen hat und in einem verflixten Weidenkörbchen gefangen hält. Das Ungleichgewicht dieser Machtverteilung ist grundsätzlich ungewöhnlich und wird nicht näher geklärt. Dazu kommt, dass besagte kleine Fee eigentlich der Auslöser für das Grande Finale ist. Netterweise wird sie von Anfang an in die Geschichte eingewoben – dennoch bleibt ihre Rolle auf „Plot Must Happen“ beschränkt. Soll heißen: Man merkt sehr deutlich, dass sie lediglich eine Funktion erfüllt und ansonsten werden keine Ansprüche an sie gestellt. Das ist zu wenig.
Gut miteinander verwoben sind die unterschiedlichen Parteien, die es in der Stadt gibt – und wie sie am Ende aufeinandertreffen, ist sehr schlüssig gestaltet. Der Showdown bringt wirklich alle einzelnen Parteien zusammen, jede:r spielt einen Part und so ergibt sich eine spannende, explosive Mischung.
Das Fazit
Dennoch wirkt es insgesamt, als seien mehrere Plottstränge aus eigenständigen Werken in einer Gesamtgeschichte verwoben worden. Sowas kann man natürlich gerne machen, aber es gibt einfach das Risiko, dass es zu künstlich wirkt und das ist für mich leider der Fall. Darunter leidet die Identifikation mit den Figuren, die Spannung und in Konsequenz leider auch das Lesevergnügen.
Bettina Riedel (academicworld.net)
Fairie Golden Town. Jennifer Benkau.
22 Euro. Heyne.