Matthias Hegel arbeitet als forensischer Phonetiker für die Polizei und konnte schon viele Verbrecher überführen – weil er in ihrer Stimme hört, wenn sie lügen. Er verfügt über das absolute Gehör und kann anhand einiger Gesprächsfetzen das Profil einer verdächtigen Person erstellen. Bei der Polizei trägt er deshalb den Spitznamen Auris, lateinisch für „das Ohr“. Mitten in einem Fall gesteht er plötzlich und überraschend einen Mord, der stümperhaft ausgeführt wurde und einer Person mit Insider-Wissen wie dem seinen eher nicht passiert wäre. Dennoch deutet tatsächlich alles auf ihn hin und er wird für den Mord verurteilt.
Jula Ansorge betreibt einen True-Crime-Podcast und versucht, unschuldig Verurteilte wieder frei zu bekommen. Auch bei Matthias Hegel glaubt sie an einen Justiz-Irrtum und begibt sich auf Spurensuche, um den wahren Täter zu finden. Schon bald wird sie bedroht, damit sie nicht weitermacht, was die junge Frau nur weiter anspornt. Aber auch der Unbekannte greift zu radikaleren Maßnahmen, die nicht nur sie, sondern auch andere Personen in akute Todesgefahr bringen.
Spannung dank der Zusammenarbeit zweier Autoren
Der Beruf eines forensischen Phonetikers klingt sehr spannend und auch ein wenig absurd. Kann man wirklich so vieles aus der Stimme heraushören? Im Buch klingt das fast schon wie Zauberei und deshalb ist es etwas schade, dass man nicht mehr Kostproben von Matthias Hegel bekommt, da er ja gleich zu Beginn verhaftet wird. Profiling an sich ist manchmal eh schon eine ungewisse Sache. Stattdessen wird häufig darauf hingewiesen, dass die Protagonistin Jula eben ohne „i“ geschrieben wird.
Abgesehen von solchen Kleinigkeiten, die beim Lesen auffallen, ist „Auris“ sehr gut gelungen. Bis zum Schluss bleiben Zweifel an der wahren Täterschaft bestehen. Als Leser erwartet man eigentlich eine neue Figur, die am Ende als Mörder klischeehaft in einem Monolog Beweggründe erklärt und alles auflöst. Dem ist nicht so, womit ein großes Fettnäpfchen vermieden wird. Mehr kann aus Spoiler-Gründen nicht verraten werden.
Die Spannung hält konstant an, sodass ein gewisser Lesesog entsteht und man das Buch eher ungern aus der Hand legen möchte. Die Charaktere empfindet man als authentisch, weil die Sprache des Buchs und der Dialoge sich an die jeweilige Person anpassen und die Personen insofern auch positionieren. Das geht soweit, dass man Hauptpersonen bisweilen nicht richtig leiden kann, was die Spannung auf eine ganz eigene Art erhält. Simultan erfährt man nicht viel über Hegels Gedankenwelt, was sein Geständnis umso mysteriöser macht und den Leser neugierig auf die weitere Handlung.
Anfang 2020 soll es eine Fortsetzung geben, deren Protagonisten wieder Hegel und Jula sind… Erfährt man dann mehr über die Wahrheit? Ein wirklich guter Start für eine Reihe, mit vielen Wendungen und Geheimnissen die es lüften gibt.
Auris. Vincent Kliesch.
Droemer. 12,99 Euro.