Nevyas Träume sind für sie so real wie das echte Leben. Mehr noch: Dort fühlt sie sich zu Hause, dort hat sie Freunde, dort weiß sie etwas mit sich anzufangen. Anders als in der Realität. Doch plötzlich ist ihre Fantasie wie ausgelöscht. Jemand hat ihre Träume gestohlen und ihr den Weg zurück in die Traumwelt versperrt. Bei der Suche nach ihren Träumen gerät Nevya in einen Strudel aus Geheimnissen, Verrat und Verbrechen – und lernt auf schmerzhafte Weise, welche Macht Albträume haben …
Kleine Mackensammlung
Der Übergang zwischen den Kapiteln wirkt bisweilen etwas arg hart, als würde die Handlung abbrechen und woanders wieder ansetzen. Zudem werden im Text wichtige und weniger relevante Informationen just dann gegeben, wenn man sie dringend braucht, um die Logik einer Szene zu supporten. Das wirkt dann aber arg gezwungen, anstatt die Infos vorher schon einzuweben. Beispiel: Anfangs wacht die Protagonistin in einem anderen Haus auf, macht sich auf den Weg in die Schule und dann fällt ihr beim hinsetzen ein, dass sie ja gar keinen Rucksack dabei haben kann, well sie ja gestern unterwegs war. War die Szene vorher so geschrieben, dass sie ihren Rucksack abstellte und dann merkte das Lektorat an, dass das ja nicht ginge? Zudem dürfte der Gedanke, nichts für den Tag dabei zu haben, schon deutlich früher gekommen sein, etwa beim Aufstehen, weil man ja grundsätzlich eine morgendliche Toilette durchlaufen würde.
Unsympathie mit der Hauptperson
Ein anderes, essenzielles, Beispiel ist, dass Nevy ihre Träume verliert und eine Organisation findet, die Träume stehlen kann und verkauft. Anstatt also den Dieb ausfindig zu machen, ist ihre Prio 1, sich die Träume eines anderen Opfers unter den Nagel zu reißen – und dann kommt plötzlich der Halbsatz, sie möchte die Organisation von innen zerstören. Erst, wenn sie selbst Nutzen daraus gezogen hat? Überhaupt: Wann ist das denn passiert, also dieser Entschluss gefasst worden? Man weiß es nicht.
Aus diesen Szenen entsteht nicht nur etwas Verwirrung und Stolpersteine beim Lesen, sondern auch absolute Unsympathie für die Hauptperson. Negative Eidnrücke kann man zwischendrin durchaus als Mittel für Abwechslung und Charaktertiefe hernehmen, weil niemand eine glorifizierte Heilige mag – aber das und gleichzeitig die eigene Wahrnehmung als ebendiese Heilige ist bei Nevy einfach zu viel des Guten: Sie lässt sich in ihren Träumen als Königin feiern und denkt sich selbst Paraden aus Menschenmassen aus, die selbstredend zu ihrer eignen Verehrung gefeiert werden. Damit möchte man sich als Leserschaft nicht identifizieren.
Ohne Sympathie und Verständnis für Nevys Situation wird das Lesen leider sehr anstrengend. Dazu die missglückte Romance, die sehr plakativ abläuft und wenig inspirierend oder prickelnd ist. Daher bleibt für ein Fazit leider nur ein „Nett gemeint, aber nicht gelungen“ übrig.
Die Stadt der gläsernen Träume. Linda Rottler.
dtv. 10,95 Euro.