Manche Bücher nimmt man zur Hand, liest die ersten Seiten und merkt direkt, dass sie eine größere Bedeutung für das eigene Leben haben werden. Diese Sammlung von Tagebucheinträgen der Katherine Mansfield ist ein solches Buch mit viel Potenzial.
Eine echte Kritik oder allgemein Rezension über Tagebucheinträge schreiben zu wollen, scheint doch etwas anmaßend. Denn sie sind, was sie sind: Die authentischen Eindrücke und Gedanken einer Frau, die als Tochter einer Bankiersfamilie einen eigenwilligen Weg einschlug. Natürlich ist nicht jeder notierter Gedanke das Werk der puren Poesie, sondern bisweilen der frustrierte Bericht einer Autorin, die sich selbst zu mehr Schaffen animieren möchte. Es ist also eine Mischung aus Berichterstattung über ihr Leben, Gedanken zu Hypothesen und tatsächlicher Poesie. Vielleicht findet mancher Leser keinen Zugang dazu, für andere ist das Lesen wie ein Zwiegespräch mit einer Frau, die genauso gut mit einem Whisky Sour in den Händen mit auf der Couch sitzen könnte.
Das Thema Feminismus kann man anhand dieser Einträge sehr kontrovers diskutieren, sollte es aber zunächst in den Kontext der Zeit setzen, in der Mansfield gelebt hat. In diesem Sinne wirkt sie wie eine Frau, die gemacht hat, was sie wollte und vor allem gesellschaftliche Konventionen zum Teufel geschickt hat. Dabei scheint einer der ersten Einträge zu zeigen, dass sie selbst gar nicht so versessen auf Feminismus war. Auf ihre eigene Art wurde sie dennoch zum Vorbild – nicht universell, wie echte Vorbilder es selten sind.
Genau diese Vielfalt macht den Reiz aus: Man merkt, dass die Mansfield das Tagebuch niemals für die Öffentlichkeit geschrieben hat. Sie hat eine bestimmte Art, wie sie mit sich selbst redet, dass man fast eine Art Spaltung der Persönlichkeit vermuten könnte – zumindest aber hatte sie eine enorm hohe Fähigkeit zur Abstraktion. Die Einträge sind Einblicke in das lebhafte Wesen einer Frau, die sich ausprobiert, bisweilen ohne Rücksicht auf Verluste durch die Welt schreitet, sich aufmerksam umblickt und etwas sucht, wenn nicht sogar letztlich den Sinn des Lebens. Als hätte sie schon immer gewusst, dass ihr Leben mit 34 Jahren enden würde. Man merkt jedoch auch: Sie weiß genau, was sie mit welchem Eintrag meint, ein externer Leser sollte die vier bis fünf wichtigsten Eckdaten ihrer Biographie kennen, um mit den Andeutungen zurechtzukommen.
Wie viel Arbeit es im Übrigen ist, ein solches Tagebuch aus dieser Zeit für die Nachwelt zu veröffentlichen, zeigt der Einband des kleinen Buchs – die Handschrift scheint grundsätzlich eher leserunfreundlich … 😉
Bettina Riedel (academicworld.net)
Katherine Mansfield. fliegen, tanzen, wirbeln, beben.
Manesse. 22,00 Euro.