Es ist ein absolutes Horrorszenario: Nachdem David Kims Tochter bei einer Lerngruppe war, verschwindet sie einfach. Erst antwortet sie nicht mehr im Chat, dann öffnet sie Facetime nicht mehr, geht auch nicht ans Handy und als er ihre Freunde befragt, erhält er sehr unterschiedliche Aussagen. Allmählich formt sich eine Art zweite Persönlichkeit seiner Tochter – eine, die sie ihm nur vorgespielt hat und eine, die sie halb über Social Media und halb in ihrer Welt abseits der Familie präsentiert. Dabei hatte er immer das Gefühl, eine vollkommen fremde Tochter erlet zu haben. Die Ermittlungen, die von Kommissarin Vick geführt werden, ergeben wenig bis gar keine Fortschritte und David sieht sich gezwungen, die Sache selbst in die hand zu nehmen – mit beinahe katastrophalen Folgen, denn das Netz ist unerbittlich …
Die Kritik
Die Prämisse von Searching ist aktuell, aber nicht komplett neu: In Zeiten der Hyperkommunikation und sozialen Medien ist man ständig erreichbar, geifbar und präsentiert sich – wie viel davon zu der echten Person gehört, ist fraglich. Oft wird mehr Schein als sein propagiert und das schon auf der kleinsten Ebene – einzelnen, jungen Menschen. Dass bei SEARCHING der Schein aber auch im engsten sozialen – realen – Umfeld zum Tragen kommt, lässt den Zuschauer innehalten und kurz zum Nachbarn schielen – wie viel künstliche Eindrücke hat man selbst vielleicht schon gewonnen? Oder ist man gar kleinen Lügen aufgesessen?
Der Film nähert sich seinen Protagonisten durch die digitale Linse. Wir sehen die Geschichte von David (John Cho) und seiner Tochter Margot (Michelle La) anhand ihres digitalen Fingerabdrucks. Von den frühesten Kinderfotos bis zum aktuellen Chat über die überquellende Mülltonne in der Familienküche kann der Zuschauer dabei nicht nur die Entwicklung der Charaktere und ihrer Beziehung, sondern auch der Kommunikationswege verfolgen. Zwischen E-Mail-Postfach, Chats und Newsfeeds entfaltet sich so ein eigentlich recht konventioneller Thriller um ein verschwundenes Mädchen verbunden mit der Frage: rettbar oder schon alle Hoffnung vergebens? Dass jeder Zuschauer dabei selbst ein bisschen mit Detektiv spielen darf, macht leider nicht wett, dass es bisweilen relativ anstrengend ist, dem Blick aus dem Bildschirm heraus zu folgen.
Denn was man nicht übersehen kann: Die Kinoleinwand ist ein Bildschirm – also etwa der Mac, an dem der Vater sitzt, um zu Facetimen et cetera. Das kann bisweilen inhaltlich als auch für die Augen echt anstrengend werden, weil drei Buchstaben in einem Textfeld die gesamte Leinwand ausfüllen. Das wirkt optisch durchaus sehr mächtig und überfordert das Augen bisweilen.
Eine starke Leistung liefert dennoch John Cho ab, der fast in jeder Szene zu sehen ist und dem es gelingen muss, den Film allein zu tragen. Das allerdings rettet nicht über die inhaltlichen Längen weg, die der Film durch die ewigen Chats und vergeblichen Anrufe aufweist. Das Fazit also: Eine interessante Idee, spannendes Konzept und mal was anderes, aber kein Muss.
Bettina Riedel (academicworld.net)
SEARCHING
Ab dem 20. September im Verleih von Sony Pictures Germany im Kino!