Tycho hat ein wirklich seltsames Talent: Sobald Alkohol durch ihre Blutbahnen rauscht, entwickelt sie übermenschliche Stärken. Diese setzt sie dazu ein, Probleme im nächtlichen New York City zu finden – und hat dabei keine Probleme, denn es gibt genug Aggressoren, die des nachts in den Straßen ihr Unwesen treiben.
Tycho hat eine sehr komplizierte Hintergrundgeschichte: Als Kind erlebte sie mit, wie maskierte Männer in ihr Haus eindringen und ihre Eltern ermorden. Sie finden Tycho, aber lassen sie seltsamerweise unbehelligt. Vor diesem Hintergrund wird der Alkohol mehr als nur ein Trigger für ihre übernatürlichen Kräfte.
Tycho hat ein riesiges Problem: Sie wird entführt und eine Geheimorganisation offenbart ihr, dass sie im Wesentlichen die Wahl zwischen 100% Nüchternheit oder der endgültigen Eliminierung hat. Denn obwohl sie ihr Talent für eine gute Sache eingesetzt hat, begeht sie dabei doch auch Verbrechen, denn Notwehr kann man es wirklich nicht nennen – ganz abgesehen von der massiven Sachbeschädigung. Damit will die Organisation sie nicht mehr davonkommen lassen.
Tycho sitzt zwischen den Stühlen: Denn da gibt es diese eine Sekte, die offenbar versucht, Menschen mit ähnlichen Talenten mit einander zu kreuzen, um eine allmächtige Existenz zu schaffen, fast Gottgleich. Die wollen natürlich Tycho für sich haben und sind auf der Jagd …
Der Leseeindruck
So kaputt Tycho ist, so eindringlich wird sie beschrieben. Es gibt gar keine Probleme, sich in sie hineinzufühlen und ihre physikalische und emotionale Ausgangsituation zu erfassen. Dabei ist man natürlich sofort auf ihrer Seite und kann ihr trotz des Alkohol-Themas folgen. Gerade dieses Thema kann natürlich triggern, aber es ist – angesichts der Rolle, die Alkohol in dem Plott spielt – nicht so massiv umgesetzt. Tycho ist keine Süchtige, hat aber wohl die Tendenz in die Richtung. Entsprechend ist das Wording der Geheimorganisation, wird auf Eigenverantwortung gepocht und so bekommt das Thema Alkohol einen abgerundeten Kontext, der nicht wie Jessica Jones das Ganze etwas verherrlichen würde.
Ein wenig erinnert die Situation an weitere zahlreiche Marvel-Filme oder Serien, in denen Held:innen oft das Richtige wollen und dabei doch mit das Falsche tun. Da gehen ganze Städte unter, um dem Bösen eins auszuwischen – und hier wird dieses Verhalten einmal nicht toleriert. Das ist irgendwie echt schöne Abwechslung zu vorher, wenn bei Held:innen immer alle Augen zugedrückt werden, obwohl man es selbst eigentlich besser weiß. Ein wenig übertreibt es die Organisation aber vielleicht doch, wenn Tycho ihre Kräfte so gar nicht mehr einsetzen dürfte… Aber wie das ausgeht, darf auf keinen Fall gespoilert werden.
Der große Plottwist am Ende ist ab einem gewissen Punkt sehr schnell vorhersehbar und auch da tut es gut, dass die Frage innerhalb der nächsten paar Seiten sofort geklärt wird und nicht künstlich hinausgezögert. Der große Reveal in der Handlung folgt dann ebenso unbarmherzig schnell, sodass das Ende weiterführt und das ist richtig gut. So erleben wir noch mit, welchen Weg Tycho einschlägt und dass die Hoffnung besteht, ihr vielleicht bei Band 2 doch wieder etwas lose zu begegnen.
Das Fazit
Super schnelle Handlung, Abwechslung im Super-Held:innen-Kosmos und eine Hauptperson, der man alles denkbar Gute wünscht – definitiv ein cooler Auftakt der dreiteiligen Urban Fantasy-Reihe.
Hard Liquor. Marie Graßhoff.
15 Euro. Lübbe.