Kanemô ist die legitime Thronerbin, doch ihre Mutter war nicht nur eine Elfe, sondern auch eine Spionin für ihr Volk bei den Menschen. Nach der Flucht ihrer Mutter wird sie bei einem religiösen Orden versteckt, ihr Vater wird allmählich wahnsinnig und das Land wird durch eine Rebellion erschüttert. Der Revolutions-Anführer Heganen erschlägt den König und um sich den Thronanspruch zu sichern, will er Kanemô heiraten. Doch er hat mit einer zarten Prinzessin gerechnet und nicht einer willensstarken, jungen Frau, die sich gar nicht erst in die Opferrolle drängen lässt: Sie gibt ihr Herz her, um Macht über Heganen auszuüben. Nun ist er die Marionette, doch es gibt noch weit mehr Widrigkeiten, mit denen Kanemô plötzlich konfrontiert wird …
Der erste Eindruck
Es ist erfrischend, dass es ein neues Fantasybuch gibt, in der eine Halbelfe Protagonistin ist, die nicht zartgliedrig fein sämtliche Schönheitswettbewerbe des Universums gewinnen würde. Die nicht nur grüne Blätter isst, weil Elfen ja so (schein)heilig sein müssen. Die sich für Macht entscheidet und danach sich an die Lösung des Liebe-Problems setzt. Insofern legt dieses Buch einen fulminanten Start hin, um sich dann inhaltlich zwischen Kanemô und Laurien aufzuteilen. Das irritiert kurz, denn wenn man erst einmal Feuer und Flamme für Kanemô und ihr Schicksal ist, dominiert plötzlich Laurien das Geschehen.
Die Lovestorys
Auch wenn es um Liebe geht, läuft das doch relativ ruhig ab – auf beiden Lebenswegen: Kanemô hat kein Herz mehr, daran glaubt sie auch, es kann hier also kaum rosa Glitzerwölkchen geben. Dennoch ist die gewohnt, etwas zu fühlen und so sind es die Erinnerungen daran und an das dadurch induzierte Verhalten, die ihre Reaktionen prägen. Quasi „Ich sollte jetzt traurig sein und würde normalerweise das und das machen.“ Das ist sicherlich nicht die einfachste Art, mit der Protagonistin zu arbeiten (als Autorin) und daher wundert es doch nicht so sehr, dass der Fokus auf Laurien gesetzt wird. Die kann fühlen, liebt, verzweifelt und ist auch noch Heeresführerin bei den Rebellen und Elfe.
Geopolitik – mehr als nur Liebe & Fantasy
Laurien ist damit in einer besonderen Position: Elfe (also kein Mensch und damit Konflikt-Potenzial), Rebellin, Soldatin (Befehlskette zu Heganen) und verliebt. Sie hat sich mit einem simplen, aber doch kolossalen Fehler in eine undurchdringliche Situation manövriert, die Auftakt für ihre „Ermittlungen“ in die politisch Komponente des Buches bilden. Drei Länder/Nationen/Bevölkerungsgruppen existieren in dieser Welt und kämpfen um Vorherrschaft oder das jeweilige gemeinsame Auskommen. Klassisch ist, dass es viel Arbeit von Guten braucht, aber nur eine Missetat der Feinde, um alles ins Wanken zu bringen. Neu oder zumindest recht selten ist es, dass die Rebellion am Anfang des Buchs abgeschlossen ist und nicht erst ausbricht, um Charaktere wie Heganen zu etablieren. Und so folgen wir nicht nur Liebesgeschichten, sondern auch großen Kämpfern auf dem Weg eines Königreichs post rebellionem.
Das Fazit
Nicht sehr episch, aber durchdacht und unüblich unkomplizierte High Fantasy. Wer es etwas ruhiger mag, ist hier auf jeden Fall richtig.
Kalt wie Schnee, hart wie Eisen. Jenny-Mai Nuyen.
cbt Verlag. 13 Euro.