Alle, die es immer wieder mal nach London zieht, haben eine neue Ausrede für die nächsten Reiseplanungen! Ein Reiseführer, der keiner ist, macht Lust auf ein langes Wochenende in der Stadt, deren Geschichte so bewegt ist wie das Wasser, das durch sie hindurch fließt. Generationen von Menschen haben hier gelebt, ihr Glück oder Unglück gefunden, sind den Strömen der Zeit erlegen. Und wo kamen und kommen sie seither zusammen, egal aus welcher Schicht? In Pubs.
Dunkles, poliertes Holz – das kommt einem dabei sofort in den Sinn. Hier geht es aber um weit mehr: Pubs haben Geschichte erlebt, geprägt, waren nicht nur Orte, in denen Pints gefüllt und geleert wurden. Sie haben überdauert, gingen in die Seele ihrer Viertel ein und bieten immer noch eine Anlaufstelle für alle, die das Wohnzimmer gegen einen gemütlichen Ort der Versammlung tauschen möchten.
Local Legends gibt nicht einfach eine nette Route vor, nach der man sich in London einen gemütlichen Pub Crawl gönnen kann. Es taucht tief ein in die jeweilige, komplett einzigartige Geschichte ganz besonderer Pubs und der Menschen, die sie besuchen, führen und halten. Das Buch ist nicht umsonst sehr schwer, denn es ist absolut gehaltvoll, bis zum Rand gefüllt mit Bildern und einzigartigen Vorstellungen noch einzigartigerer Pubs. Das Herzblut, das in diesem Buch steckt, liest man in jedem Wort heraus. Hier pulsiert das Leben, die Begeisterung und vor allem: echte Wertschätzung für echte Pubs, die nicht für Massentourismus ins Leben gerufen wurden. Die kleine Kneipe an der Ecke, das wäre wohl das deutsche Pendant. Boazn in München, aber nicht mal die kommen an den Stil und das Lebensgefühl in den vorgestellten Pubs ran. In anderen Worten: Kommt auf die Bucket-List, muss man mal im Leben besucht haben!
Die Geschichten drehen sich am Ende nicht immer um die Pubs selbst, sondern zeichnen kurzweilige Porträts der Menschen, die in diesen magischen Orten zusammen kommen. Beispielsweise wundervoll schrullige Männer, die in den urigen Pubs ihren Stammtisch als Schnurrbartträger führen und andere Bartformen kategorisch ablehnen. Hipster, beware!
Genau das fängt Local Legends in Perfektion ein: Es geht nicht um eine hippe Wahrnehmung von Pubs, hier wird nichts gefiltert und geschönt, um der Selbstdarstellung zu fronen. Hier ist man. Willkommen zum Beispiel. Also klappt das Buch auf, schmökert und sucht euch zwei oder drei Pubs aus, die ihr beim nächsten Städtetrip besuchen werden – und lasst es aus den Social Media raus.
Genießt die Momente dort, achtet auf die Details, denn wenn „Cockpit“ auf dem Türstock der Eingangstür steht, hat der Pub nichts mit Flugzeugen zu tun. Geht mit offenen Blick durch die Pubs, dann machen auch Einrichtungsdetails plötzlich Sinn und wirken gar nicht mehr so exzentrisch.
… und wer nicht verreisen mag oder kann, darf träumen – von mehr als nur einem kühlen Pint.
LOCAL LEGENDS. Horst A. Friedrichs. John Warland.
Prestel Verlag. Zirka 38 Euro.