Wenn man Fantasy-Fans fragt, was (High) Fantasy für sie bedeutet, denken sie meist sofort an Zauberer, Hexen, Elfen, Orks und mittelalterliche Welten. Werke wie Der Herr der Ringe oder Game of Thrones spiegeln genau dieses Bild wider – und selbst George R. R. Martin hat zugegeben, dass diese Weltanschauungen von den kulturellen Wurzeln der Autoren beeinflusst sind. Aber natürlich kann auch Vielfalt ihren Platz finden, wie zum Beispiel bei Tolkiens Zwergen, die er sich in allen Farben vorstellte – auch in Blau, theoretisch.
SHIGIDI – Raub im Britischen Museum: Was erwartet uns?
Shigidi ist ein Gott der Albträume, der in einer Geisterfirma arbeitet. Wenn ein Mensch ihm ein Gebet und eine Opfergabe bringt, handelt es sich oft um einen Mordauftrag. Shigidi quält das Opfer mit Albträumen, bis es stirbt. Es ist nicht sein Lieblingsjob, aber nun ja, Arbeit ist Arbeit. Doch dann trifft er Nneoma, eine Sukkubus, die ihn herausfordert und ihm einen neuen Körper gibt, der nicht mehr einem Albtraum entstammt. Zusammen reisen sie durch die Welt, um Geister zu verschlingen – bis Shigidis alter Arbeitgeber auftaucht und ihn töten will. Doch Olorun, der Chef der Firma, rettet ihm das Leben, stellt aber eine Gegenforderung: Shigidi und Nneoma sollen einen mysteriösen Raub im Britischen Museum durchführen – ein Abenteuer, das alles verändern könnte.
Was fordert uns an diesem Buch?
SHIGIDI ist ein bisschen komplexer als die üblichen Fantasy-Romane. Das liegt vor allem an den Figuren, die seit Beginn der Zeit umherwandern. Um diese Story spannend und kohärent zu erzählen, muss der Autor einen klaren Plan haben und sich auf das Wesentliche konzentrieren. Wole Talabi schafft das meisterhaft. Das Buch ist mit 346 Seiten eher kurz, aber die Tiefe der Charaktere ist überraschend. Selbst Nebenfiguren bekommen eigene Kapitel, was den Plot umso reicher macht. Diese kleinen Prequels bieten einen Blick in die Vergangenheit der Charaktere und lassen uns Shigidi und Nneoma besser verstehen. Es gibt nicht nur viele spannende Wendungen, sondern auch eine tiefe emotionale Reise, die man nicht einfach mal eben nebenbei liest.
Und es gibt auch biblische Anspielungen: Nneomas Schwester heißt Lilith, was eine interessante Verbindung zur biblischen Geschichte herstellt, besonders mit den wiederkehrenden Erwähnungen von Luzifer und seiner Revolution.
Warum taucht Aleister Crowley auf?
Crowley war ein echter Mensch, der sich Anfang 1900 mit Satanismus und Magie beschäftigte – und ich muss sagen, ich war ziemlich überrascht, ihn als lebendigen Charakter in der Story zu finden. Besonders seine Aussage „Tu was du willst, sei das ganze Gesetz“ – das klingt heute fast wie der Manifesto der modernen Selbstoptimierung, die vor allem in sozialen Medien allgegenwärtig ist. Talabi bringt Crowleys Ideen direkt ins Spiel und lässt uns über die Bedeutung von persönlicher Freiheit und Egoismus nachdenken. Nicht nur der Satz, sondern auch das Buch ist tiefgründiger, als man auf den ersten Blick denkt.
Afrikanische Fantasyelemente
Talabi geht einen anderen Weg als die westliche Erzählweise, die wir gewohnt sind. Oft dachte ich, die Handlung würde in eine bestimmte Richtung gehen, aber dann kam eine Wendung, mit der ich nicht gerechnet hatte. Das hat meinem Gehirn gut getan, da es mich aus gewohnten Denkmustern herausgeholt hat. Die Götter, Glaubenssysteme, die Sprache, die Kultur – all das ist so vielfältig und komplex, dass man fast das Gefühl hat, dass Talabi ein ganzes Universum für zukünftige Geschichten erschaffen könnte.
Nneomas Name war übrigens auch ein Rätsel: Es bedeutet „gute Mutter“ und passt perfekt zu ihrem Charakter, besonders im Gegensatz zu ihrer Schwester Lilith, die die „Mutter des Bösen“ ist.
Worum geht es wirklich in SHIGIDI?
Obwohl der Titel des Buches auf Shigidi hinweist, ist es eigentlich Nneomas Geschichte. Wir erfahren viel über ihre Vergangenheit, ihre Wünsche und Ängste. Ihre Beziehung zu Shigidi verändert die Handlung und führt sie auf einen etwas anderen Pfad, als man vielleicht erwartet. Letztlich geht es darum… Ha, nix da, Spoiler.
Fazit
SHIGIDI – Raub im Britischen Museum ist ein Fantasy-Roman, der sowohl unterhält als auch fordert. Es hat mich nicht nur während des Lesens beschäftigt, sondern lässt mich auch noch jetzt nicht los. Wer gerne neue Perspektiven entdeckt, mitdenkt und tiefere Themen hinter den Zeilen sucht, wird hier auf seine Kosten kommen.
SHIGIDI – Raub im Britischen Museum. Wole Talabi.
penhaligon. 18 Euro.