Aufgemerkt, dies ist Band 2! Kleiner Recap zu Band 1:
Avery lebt entweder auf der Couch bei ihrer Schwester oder im Auto. Die Schule ist ihr einziger Fokus, denn Avery weiß genau, wohin sie will: Versicherungsmathematikerin werden, Geld verdienen und sich endlich ein gutes Leben aufbauen. Das geschieht schneller als gedacht, als ein Anwalt auftaucht und ihr bei einer Testamentsverkündung mehrere Milliarden Dollar hinterlassen werden: Von Tobias Hawthorne, den sie im Leben nicht getroffen hat oder gar kennt. Seine Familie ist entsprechend überrascht – die vier Hawthornschen Enkel sehen sie als Konkurrenz, aber auch als Kuriosum und Rätsel, das ihnen ihr Großvater hinterlassen hat. Deren Mutter, Tante und Onkel allerdings würden sie lieber tot als lebendig sehen, doch zum Glück hat Tobias Hawthorne selbst für diese Fälle vorgesorgt. Stattdessen geht eine ganz besondere Rätseljagd los, bei der Avery ihr Leben neu sortieren, sich gegen reiche und mächtige Gegner wehren muss und zusammen mit den 4 jungen Hawthornes die Wahrheit hinter der Erbschaft sucht.
Ab hier geht es um Band 2:
Das erste große Rätsel schien gelöst, doch dann tauchte der nächste Auftrag auf, den Tobias Hawthorne den 5 Teenagern hinterlassen hat. Sein tot geglaubter Sohn könnte doch noch leben und wie es scheint, kennen er und Avery sich. Doch warum hat der alte Hawthorne ihn nicht direkt zurück in die Familie gebracht? Warum muss Avery den Jungs helfen, ihn zu finden? Und was bedeutet die Existenz von Toby II. für das Erbe von Avery? Wie hängen die Mordanschläge mit ihm zusammen? Avery weiß nicht viel, außer dass sie gerade jetzt mit Sicherheit NICHT aufgeben wird!
Der erste Eindruck: Soooo positiv!
Die Reihe steht in einem wirklich wundervollen Widerspruch: Seichtes Setting, klassische Tropes (armes, nun reiches Mädchen / 4 heiße Enkelsöhne) und doch eine der intelligentesten gestrickten Familiengeschichten überhaupt. Der Fokus liegt glasklar auf Avery und den vier Jungs, das restliche Umfeld wird zwar skizziert, spielt aber über weite Strecken kaum eine Rolle. Insofern schießt man sich auf Avery ein, die eine überragend sympathische Hauptfigur ist. ja, sie macht Fehler und ja, manchmal ist sie als Teenager eben Hormongesteuert. Aber im kern ist sie kein A*sch, denn als sie Zugriff auf ganz viel Geld bekommt, kauft sie sich erst einmal gar nichts. Keine Klamotten, kein geiles Auto – stattdessen will sie sich um ihr Umfeld kümmern. In psychologischer Sicht hat sie das erste Mal die Möglichkeit, sich auch um sich selbst zu kümmern, um ihr geistiges Wohlergehen. das überfordert sie bisweilen und das ist völlig okay so. Zudem hängt sie zwischen 2 Brüdern und kommt ganz wunderbar ohne Drama aus. Hier wird nichts überzeichnet, kein Glitzer und Kitsch über alles gehängt, was Avery sagt, tut oder denkt.
Details, Details, Details
Wie detailreich die Reihe durchdacht ist, soll folgendes Beispiel illustrieren: Zahlen tauchen auf und es könnten wohl Koordinaten sein. Überall sonst wäre innerhalb von fünf Minuten klar, wo der nächste Hinweis versteckt ist. Hier wird erst einmal vorgerechnet, wie viele Möglichkeiten an Koordinaten sich aus einer simplen Zahlenreihe ergeben. Entsprechend lernt man selbst manchmal noch einiges und Logik wird hier definitiv groß geschrieben, was bei Jugendbüchern nicht immer ganz selbstverständlich ist. Entsprechend muss man genau lesen, denn schnell erkennt man, dass die Autorin selbst so manchen Hinweis schon vorher gebracht hat. Man folgt also nicht nur den Rätseln der Figur Tobias Hawthorne, sondern auch denen der Autorin – Spannung ist garantiert!
Jugendbucheinfluss
Ja natürlich geht es hier nicht mit allen Charakter-Aspekten in die Vollen, weil es sich immer noch um ein Jugendbuch handelt. Avery wird nicht maximal tief vorgestellt. Sie bekommt die wichtigsten 3 Attribute als Charakterbeschreibung und bleibt sonst relativ vage. Das sorgt natürlich dafür, dass Leser.innen wenige Reibung mit der Hauptperson haben. Sie ist relativ glatt und damit quasi gefällig für viele Leser:innen, aber ehrlich gesagt passt das auch einfach zum Genre. Wichtig ist, welche Attribute ihr aktiv an die Hand gegeben werden: Loyalität, Nächstenliebe und zu lernen, das Herz zu öffnen. Damit kann man aus Leser:innensicht doch hervorragend arbeiten. Wer hochkomplexe Charaktere sucht, sollte weniger im Jugendbereich lesen. Was super spannend hätte sein können, ist die ausführlichere Darstellung der Jungs, die plötzlich in Averys Leben auftauchen und jede:r eine ganz eigene Wirkung haben – die ja auch nicht aus dem Nichts kommt. Vielleicht gibt es hier auch irgendwann ein kleines Spin-Off? 🙂
Komplexität mit Spannung auf Band 3
Es kommt der Punkt, da werden die Verwandtschaftsverhältnisse sehr komplex und enthüllen dabei eine ganz neue Motivation der Charaktere. Man merkt sehr deutlich, dass die Autorin Psychologie studiert hat und sich hier mit aller Planungsgenauigkeit der Welt ein Netz mit doppeltem Boden ausgedacht hat. Das hat sich absolut gewaschen und gehört zu den Punkten, die die Reihe auszeichnen. Auch, wenn man etwas knurrig wird am Ende von Band 2, weil eine Bombe platzt, deren Auswirkungen offenbar erst in Band 3 spürbar werden.
Das Fazit
Richtig gut gemacht mit der perfekten Mischung aus einem Hauch Romance, Freundschaft, Träumen und Spannung!
The Inheritance Games – das Spiel geht weiter (Band 2). Jennifer Lynn Barnes.
cbt Verlag. 13 Euro.