Obacht, hier handelt es sich um Band 1 von insgesamt 2, soweit aktuell bekannt. Es gibt einen inhaltlichen Zusammenhang zur Amber in the Ashes-Reihe, die Heir-Bücher können jedoch ohne Vorwissen gelesen werden.
Sirsha wurde wegen eines unverzeihlichen Verbrechens aus ihrem Stamm verbannt und darf ihre Magie nur sehr eingeschränkt einsetzen – sonst wird sie gejagt und brutal getötet. Doch sie verdingt sich als Fährtenleserin und nutzt ihre Magie durch ein interpretationsfähiges Schlupfloch. Ihr neuester Auftrag erfüllt sie jedoch mit Grauen, auch Erde, Wind und Luft flüstern ihr nur schlechte Dinge über ihr Objekt der Begierde zu.
Aiz ist eine Waise, die nur einen brennenden Wunsch hat: Den Herrscher zu stürzen, der in ihrer Kindheit ein ganzes Waisenhaus niedergebrannt hat. Blind vor Rachegelüsten ist sie sogar bereit, ihre eigenen Grundsätze zu verraten – und ihre Freunde leiden zu lassen, während sie sich auf die Jagd nach einer uralten, magischen Macht begibt.
Quil hadert mit seiner Herkunft (böser Papa) und seinem ihm vorgesetzten Lebensziel: nach seiner Tante Helena den Thron zu besteigen. Er würde lieber abdanken, doch das reich wird angegriffen und seine Tante schickt ihn in letzter Sekunde auf eine geheime Mission, von der das Wohl und Wehe des Reiches abhängt.
Der Leseeindruck
Am prägendsten ist die Geschichte von Aiz, die ab Mitte des Buchs mit einem absoluten Paukenschlag einen Wendepunkt erreicht, mit dem man so nie rechnen konnte. Erst denkt man, dass hier vielleicht ein Fehler im Buch vorliegen könnte, aber dann fällt ein bestimmter Name erneut und man merkt, dass man von Anfang an einem Bären aufgesessen ist. Dann ergibt es plötzlich auch Sinn, dass dieser Charakter von Anfang an etwas anders gestrickt ist als die zwei weiteren Held:innen, denen wir parallel folgen. Sehr solider Überraschungsmoment! Ich musste an mich halten, das Buch nicht kurz in die Ecke zu pfeffern, weil es mir wie Schuppen von den Augen fiel und ich alles, was ich bisher gelesen hatte, erst mal reevaluieren musste. Für ein Jugendbuch finde ich solche Momente sagenhaft!
Trotz dessen, dass Aiz den auffälligsten Handlungswechsel vollzieht, ist Sirsha die eigentliche Hauptperson des Buchs. Über ihre Beweggründe, Emotionen und Gedankenwelten erfährt man am meisten. Wo bei Aiz das Grundgerüst skizziert wird, um ihre Handlungen später zu begründen, befinden wir uns bei Sirsha viel stärker auf einer gemeinsamen Entdeckungsreise. Die echte Tiefe der Geschichte erfahren wir durch ihre Freunde, Land und Leute, ihre Reise und natürlich ihre Feinde. Quil ordnet sich als einer dieser Kontakte in diese Riege ein, schafft es aber auch, nicht ganz unterzugehen.
Die Autorin schafft es außerdem, einen sehr klugen Umgang mit Informationen zu pflegen: Genau dann, wen Leser:innen dafür bereit sind, gibt sie etwas Neues preis. Sie flicht Weltanschauungen mit ein, Kritik an Rassismus, kleine Oden an die Liebe und noch viel größere an Freundschaften. Sie stellt klar, dass Familie eben nur angeborene Verwandtschaft heißt und noch lange nicht gleichbedeutend mit tiefen, echten, zwischenmenschlichen Beziehungen ist. Sie nimmt emotionale, zutiefst menschliche Regungen und begründet damit ihre Handlung, die dadurch sehr leicht nachvollzogen werden kann – ohne die negativen Regungen damit als positiv darzustellen. Extrem gelungene Gradwanderung!
Das Fazit
Sabaa Tahir enttäuscht nicht! Gehaltvoll, unterhaltsam, samt Cliffhanger.
Sabaa Tahir. Heir.
22 Euro. cbj.