Hannah Herbst, Deutschlands erfahrenste Mimikresonanz-Expertin, leidet unter einer seltenen Krankheit: Nach einer Operation leidet sie immer an einem Gedächtnisverlust. Das Langzeitgedächtnis kommt nach ein paar Tagen zurück, doch die Erinnerungen an die Stunden vor dem medizinischen Eingriff sind für immer vergessen.
Als die junge Frau nach einer Operation erwacht, befindet sie sich schon auf der Flucht und wird von ihrem „Fluchtkumpanen“ mit einem aufgezeichneten Vernehmungsvideo der Polizei konfrontiert. Die Dame in dem Video gesteht ihre Familie auf bestialische Art ermordet zu haben, nur der Sohn soll überlegt haben und geflüchtet sein. Der große Schock: Die Frau im Video ist Hannah Herbst selbst. Aber ist sie dazu fähig, ihre geliebte Familie zu töten? Auf der Suche nach der Wahrheit und ihrem Sohn muss sie sich ihrer schlimmsten Angst stellen: Sie muss sich selbst analysieren.
Der Leseeindruck
Wie gewohnt ist der Thriller in kurzen Kapiteln geschrieben. Dies sowie die wechselnde Sicht der Protagonisten sowie der wechselnden Schreibstile (beispielsweise eine Interaktion zweier Handlungsstränge, wenn die Personen nicht im gleichen Raum sind) lassen einen schnell in die Geschichte finden und geben einen guten Tempus für die aufbauende Spannung vor.
Die Hauptprotagonistin Hannah Herbst wirkt sofort sympathisch. Deshalb ist man genauso entrüstet wie sie, als die junge Frau als Mörderin dargestellt wird. Man kann es sich einfach nicht vorstellen, dass sie zu so etwas fähig sein könnte. Doch es wäre kein Thriller von Sebastian Fitzek, wenn es ihm nicht gelingen würde, hervorragend Zweifel zu säen. Schnell kommt man als Leser:in an den Punkt, an dem man schon bald nicht mehr weiß, was man glauben soll und wem man eigentlich nicht verdächtigen kann. Plötzlich hat jeder Charakter eine dunkle Seite und ein Motiv. Die Verdächtigen geben sich nach und nach die Hand. Immer, wenn man meint, dass man den wahren Täter/die wahre Täterin entlarvt hat, kommen neue Indizien ans Licht und man kann seine Überlegungen über Bord werfen und sich wieder ins fröhliche Rätselraten stürzen. Beim Lesen kommt so definitiv keine Langeweile auf! Die Wendungen sind so geschickt, dass man den Thriller nicht aus der Hand legen kann.
Apropos Spannung. Die finale Auflösung hat mich wirklich kalt erwischt. Der wahre Täter/die wahre Täterin war vielleicht zwischendurch zu erahnen, doch das Ausmaß ist eher schwer zu erraten. Im Grande-Finale tun sich menschliche Abgründe auf, die einen als Leser:in nicht nur das Blut in den Adern gefrieren lassen, sondern auch komplett fassungslos zurücklassen.
Fazit
Alleine das Thema der Mimikresonanz fand ich persönlich äußerst interessant. Wir Nichtexpert:innen haben gar keine Ahnung, wie viel ein Wimpernschlag, ein Augenbrauenzucken oder eine kleine Geste über dich und den Wahrheitsfaktor des Gesprochenen aussagen kann. An dieser Stelle hat Sebastian Fitzek ganze Arbeit geleistet. Man merkt – wie er auch im Nachwort erzählt – dass er sich Rat von Experten geholt hat, um uns Leser:innen keinen Humbug zu erzählen. Dazu kommt noch der wirklich spannende Plot mit all seinen Cliffhangern… Ein Pageturner pur!
Lisa Albrecht (academicworld.net)
Sebastian Fitzek. Mimik.
Droemer. 24,00 Euro.