Eine Inhaltsangabe ist in diesem Fall etwas redundant – wer Tina Turner kennt und sich für sie interessiert, kennt sicherlich auch die Eckdaten ihres Lebens. Den Rest erfährt man durch die Lektüre, sodass ich hier nichts vorweg nehmen möchte.
Es ist eine eher ungewöhnliche Autobiografie. Tina Turner hat ein wahnsinnig launisches Leben serviert bekommen und musste einige leidvolle Erfahrungen machen. Diese schlachtet sie aber nicht aus, sondern betrachtet sie mit viel Fassung, vielleicht auch etwas Bedauern. Aber auf keinen Fall mit Selbstmitleid, was ungewöhnlich und bewundernswert ist. Wie jeder Mensch hat auch sie Fehlentscheidungen getroffen, für die sie sich nicht oberflächlich zu rechtfertigen versucht. Stattdessen erklärt sie ihre persönlichen Hintergründe, ihr Heranwachsen und schafft es, vergleichsweise objektiv Beurteilungen zu stellen. Dass manches Verhalten unerklärlich bleibt, erkennt und gibt sie offen zu, ein echter Beweis von Charakterstärke.
Genauso sympathisch ist es, dass sie ihre Liebe und Hingabe zum Buddhismus beschreiben und erklären kann, ohne bekehrend oder missionierend zu wirken. Im Resultat präsentiert sie sich als eine gereifte Person, wobei glasklar ist, dass persönliche Reife nichts mit dem Alter zu tun hat (außer, dass man mehr Zeit für die Reifung hatte, aber so mancher ließ diese Chance an sich vorbeiziehen). Eines kann man Tina definitiv nicht vorwerfen: Sensationsgier. Aus all den Dramen ihres Lebens ließe sich sicherlich hervorragend Kapital schlagen, aber durch ihre ruhige Persönlichkeit liegt ihr das fern.
Das Buch selbst ist übrigens nur grob chronologisch aufgebaut. Irgendwann verfällt man logischerweise immer in eine geradlinige Zeit, aber bei Biografien hat das auch seinen Sinn 😉 Wer sich ausführlich Klatsch und Tratsch aus der Pop- und Rockwelt erwartet, ist schief gewickelt. Tina hat eine echte, eine seriöse Biographie erstellen lassen und plaudert nicht großartig aus „dem sozialen Nähkästchen“. Natürlich kam sie mit vielen coolen Idolen in Kontakt, auch oder insbesondere auf der Bühne. Für sie kein Grund, pikante Details über das Leben anderer zu verraten. Stattdessen philosophiert sie lieber über den Sinn des Lebens, ohne ins Schwadronieren zu geraten. Das mag alles grundsätzlich seltsam klingen, ist aber als ein einziges riesiges Kompliment gemeint. Der Aufruf zur Organspende am Ende rundet das Profil, das Tina von sich preisgibt, ganz wundervoll ab.
Es schadet auch nicht, sich als junger Mensch sich dieses Buch zu gönnen, denn wir sind in unseren Köpfen so fest in dieser „modernen Welt“ verankert, von der Tina ein Teil ist – dass man glatt vergisst, dass sie während des zweiten Weltkriegs geboren ist. Das bedeutet nichts anderes, dass sie die zutiefst rassistische Seite der USA kennengelernt hat. Damit ist sie eine wichtige Zeitzeugin für Erzählungen, wie Filme wie „Green Book“ es zu erzählen versucht haben.
Ein Mensch und Charakter, der mit seiner Ruhe und Ehrlichkeit ein echtes Vorbild ist. Ob man nun ihre Musik mag oder nicht – eine unterhaltsame, ehrliche, zum Denken anstiftende Autobiografie.
Tina Turner. My Love Story.
Penguin. 28 Euro.