In einer Villa in Süddeutschland liegen drei Leichen – Barbara, ihr Ehemann Markus und Barbaras Sohn Leon. Letzterer war verhaltensauffällig, lebte mit ADHS, galt als selbstzerstörerisch, war ein Waffennarr und er hält noch im Tode eine Waffe in der Hand. Die Tatwaffe selbstredend. Damit ist der Fall relativ offensichtlich, finden zumindest einige der Ermittler. Doch einige andere schauen aufmerksamer hin, verfolgen viele Gedanken und Spuren – bis immer unwahrscheinlicher wird, dass Leon wirklich der Täter war.
Doch wieso sollte wer bitte schön diese ganz normale Familie aus der Welt schaffen wollen? Die Abwesenheit der Beweise für Leons Schuld bedeutet nicht, dass es andere Indizien gibt. Bis verschiedene Spuren und unter ihnen die Spur 33 ein ganz neues Bild der Tat zeichnet …
Der Leseeindruck
Diese Geschichte ist äußerst vielschichtig. Einmal gibt es relativ viele Perspektiven und Kapitel aus verschiedenen Zeiten – ein ständiger Wechsel, der die Aufmerksamkeit der Leser:innen fordert. Worauf der Mord hinausläuft, weiß man von Anfang an. Das macht die Kapitel der Opfer umso tragischer, deren Leben in den Wochen vor dem Tod sehr genau wiedergegeben wird – mit allen Emotionen, die ein Mensch so mitbringt, der nichtsahnend auf sein Ende zumarschiert.
Die Ermittlungen stehen gar nicht so sehr im Fokus, diese plätschern eher vor sich hin. Fun Fact: Das könnte schlicht dem hohen Realitätsbezug geschuldet sein – die Autorin war bereits als Gerichtsreporterin tätig. Und in der Realität arbeiten Labore et cetera nicht so schnell, wie ihre fiktiven Entsprechungen in gängigen Crime-Serien. Insofern bedient die Autorin keine Hollywood-Klischees, was Abwechslung verspricht und auch eingehalten wird. Damit das Buch trotzdem mitreißt, gibt es die erste Ebene hinter dem Familienkonflikt: Wer ist der wahre Täter:in? Entstammt er/sie dem Umfeld, wie es immer so schön heißt? Dazu kommt die zweite Ebene: Wer ist „der Mann“, der schnell in Erscheinung tritt, aber anfänglich so gar keinen Kontakt zu irgendeinem der Beteiligten hat? Es gibt viele Fragen, die die Leser:innen beschäftigen und so will man immer stärker wissen, was nun wirklich passiert ist und wie es jenseits der Aufklärung weiter geht.
Positive Einzelpunkte
Gut gelöst ist, dass die Geschichte der Krankheit ADHS keine Klatsche erteilt, was sicherlich eine Gratwanderung war. In diesem Fall wird diese Erkrankung nicht als Störung gelabelt und nicht als der alles auslösende Grund für Leons gewalttätige Neigung dargestellt. Ein gutes Beispiel dafür, wie man so etwas in eine Geschichte integrieren kann, ohne plakative Verurteilungen zu treffen. Schön ist außerdem, dass das Buch einen Schritt weitergeht und nicht mit einer maximal ergreifenden Szene den Täter enthüllt, sondern sich auch den Tagen danach widmet. Netterweise hat die Autorin sich auch selbst in das Buch hineingeschrieben 😀
Klitzekleines Mimimi
Der Klappentext stellt die Spur 33 als den großen Wendepunkt in der Ermittlung dar, bei dem nach seiner Entdeckung irgendein Tusch passieren soll. Tatsächlich taucht diese Spur aber sehr spät auf, weshalb man sich ab der Mitte schon fragt, welche Rolle die titelgebende Spur denn noch spielen soll. Die Beziehung zwischen Markus und Barbara ist manchmal arg merkwürdig – das mag eine sehr subjektive Einschätzung sein. Aber einmal verachtet er sie, weil sie bei Leon versagt, obwohl sie Therapeutin ist, dann wieder liebt er sie inniglich und möchte ganz überzeugt seine Zukunft mit ihr verbringen. Dieses Hin und Her zeigt sich durchaus noch zwei, drei Mal und ist dann doch etwas irritierend. Andererseits sind Menschen an sich manchmal sehr irritierend.
Das Fazit
Wer den Tatort mag, wird Spur 33 wahrscheinlich sehr gerne lesen. Wer es maximal emotional braucht mit ganz viel Drama, der/die wird hier nicht so recht fündig. Es kommt auf die Leser:innen an.
Christa von Bernuth. Spur 33.
Goldmann Verlag. 17 Euro.