Ich muss hier mal ein Thema ansprechen, dass mir sehr am Herzen liegt, weil ich glaube, dass es letztendlich für viel Leid in unserer westlichen Kultur und im Leben vieler junger Mädchen verantwortlich ist: Models sind keine tollen Menschen!
Von Katharina Ohana, Psychologische Beraterin, Bestsellerautorin und academicworld-Expertin
Es ist Fashion Week in New York. Wieder mal. Und man kommt Down Town nicht daran vorbei. Viele Menschen finden Models toll, fast alle Teenagertöchter meiner Freunde wollen Model werden. Hier in New York wollen alle auf die Partys, wo Models sind, die sogenannten After-Show-Partys. Und es scheint auch kein größeres Kompliment und keine eindeutigere Beschreibung einer Frau zu geben als der Satz: „She is (oder in meinen Alterskreisen: was) a Model.
Jeder weiß, dass sie gerade in Scharen in der Stadt sind und deshalb werden verstohlene Blicke geworfen, sobald eines dieser obercoolen, langen Magermädchen vorbeiläuft oder am Nachbartisch Platz nimmt, um eine Diät Coke zu bestellen (kein Klischee, sondern harter New Yorker Fashion Week Alltag). Jeder halbwegs fähige Hausarzt würde sie sofort in die Essgestörtenklinik einweisen und selbst von Leuten, die sehr schlanke Frauen sehr attraktiv finden, hört man Zweifel. (Ich hab übrigens herausgefunden, warum viele Männer sehr schlanke Frauen bevorzugen: Die Zerbrechlichkeit stabilisiert das männliche Selbstwertgefühl und definiert die eigene – immerhin körperlich – überlegene Rolle).
Aber abends auf den Partys, wo alle anderen Frauen sich riesige Klotz-High-Heels an die Füße schnallen, um möglichst auch für Models gehalten zu werden, da sehen Models in ihren Designerfummeln (ich finde der Ausdruck passt wirklich sehr gut auf die gerade aktuellen „verhuschten Hängkleidchen“) wirklich toll aus. Und so fühlen sie sich dann auch. Und so benehmen sie sich dann auch: sehr schrill und überdreht und ständig mit einer inneren Zähluhr das Barometer der auf sie verwendeten Aufmerksamkeit lässig überlegen messend.
Muttersein gilt ja immer noch als Lebenssinn. Und dann kommt leider die Zeit, über die keine dieser seltsamen Figuren und ihrer Bewunderer sich je besonders viel Gedanken zu machen scheinen: Das Älterwerden. Was macht ein Mensch, der vom Schicksaal und Aufmerksamkeit hofiert, die einzige Karte, auf die er immer gesetzt hat, nicht mehr spielen kann, weil sie schon viel zu lange auf dem Tisch liegt? Was macht ein Mensch, der sich sein Erwachsenleben lang nur für die Flüchtigkeit von Mode und Stil interessiert hat, für sich selbst im vorteilhaftesten Licht der Scheinwerfer, die andere setzen? Was macht jemand, dem das Geld immer so leicht zugeflogen ist (und der trotzdem nicht wie Giselle Bündchen, das letzte der wenigen Top-Models) Millionen gemacht hat?
Jetzt möchten Sie vielleicht wissen, woher meine boshafte überhebliche Arroganz kommt, gegenüber diesen Menschen, die mindestens die zweite Hälfte ihres Lebens mit der Trauer um die erste Hälfte verbringen werden. Das rührt aus der Erfahrung, dass es viel Mühe gemacht hat, einen Uniabschluss zu machen und aus dem früh gewonnenen Bewusstsein, das kein Mensch aufgrund seines genetischen Lottogewinns (der hier in New York verehrt wird wie wohl nirgends anders auf der Welt) das Recht hat zu glauben, er oder sie dürfte sich darauf etwas einbilden. Es rührt aus dem festen Glauben daran, dass man sich verändern kann, wenn man merkt, dass man bisher durch unbewusste Muster und Einflüsse auf dem Holzweg war, dass einem die Gesellschaft Werte vorgibt, die zerstörerisch sind. Nur muss man das leider selber tun und kann nicht mehr darauf warten, dass einer kommt und mit Geld und tollen Partys alles gut macht. Wir alle bekommen unseren primären Narzissmus vom Realitätsprinzip gestutzt. Wir alle bekommen die Rechnung, wenn wir das nicht akzeptieren wollen – und anderen lange mit diesem rücksichtslosen kindlichen Egoismus Schaden zufügen (auch wenn dieser Schaden nur aus Arroganz und Überheblichkeit besteht). Und für manche Leute ist diese Rechnung dann sehr hoch. Von diesen Menschen gibt es viele hier in New York, auch wenn viele noch nicht glauben wollen, dass, während sie die Aufmerksamkeit noch genießen, der Zähler wie bei den vielen gelben Taxis hier schon länger läuft.