Natürlich wurde ich nach meinem letzten ungewöhnlich „polemischen“ Blog-Beitrag über das „geistige Unterschichten-Thema“ Models von einigen Lesen kritisiert: Die Einwände reichten von „Neid“ (dem Klassiker-Einwurf, neben dem „Zickenkrieg“, sobald Frauen über Frauen schreiben), bis zum Vorwurf der „Pauschalisierung“ gegenüber einer Gruppe von Menschen, die man ja wohl nicht im Ganzen so „runtermachen“ kann, noch dazu weil sie ja doch letztlich „ein Randphänomen“ sind.
Von Katharina Ohana, Psychologische Beraterin, Bestsellerautorin und academicworld-Expertin
Mal davon abgesehen, dass ich mich über kritische Leser sehr freue, muss ich natürlich darauf hinweisen, dass ich ein bisschen auf diese Einwände als Steilvorlage für meinen heutigen Beitrag gehofft hatte. Ich würde mich nicht einfach so zu einem so eindeutig negativen Urteil hinreißen lassen, wenn ich nicht genau wüsste worüber ich da schreibe. Normalerweise vermeide ich hier persönliche Bezüge (wenn ich natürlich auch nur auf meine Themen komme, weil ich mein Leben in dieser Gesellschaft und Werteordnung verbringe). Doch im Falle der Models muss ich als Hintergrund meiner Argumentation zugeben: ich habe 20 Jahre! persönliche Erfahrungen gesammelt, die mich in ihrer Einseitigkeit (oder in der Einseitigkeit, die sich durch meinen Blickwinkel ergeben hat) immer selbst verwundert haben. Um es auf den Punkt zu bringen: Ich habe mit diesen Menschen unter Kleiderständern hinter den berühmt/berüchtigten Cat-Walks gesessen, ich habe sie Wattebällchen in Orangensaft getunkt essen sehen (gegen ihren Hunger), habe sie und das gesamte Umfeld der Schönheits-Mode Branche mehrere Wochen am Stück auf Fotoreisen erlebt und ich habe sie immer wieder über Jahre hinweg bei Werbeaufnahmen (im coolen Modelslang: „Commercial-Shoots“) getroffen und ihre persönliche und berufliche Entwicklung verfolgen können.
Prinzipiell ist natürlich nichts zu sagen gegen das Thema der Schönheit und Mode – solange es nicht das Leben ausschließlich füllt und als infantiles Mittel benutzt wird, um andere Menschen für die Rundumversorgung der eigenen Bedürfnisse zu gewinnen. Doch es ist auffällig, dass fast alle hauptberuflich Beteiligten dieser seltsamen Glanzoberfläche unserer Werteordnung die ich jemals getroffen habe, sich nur in dieser Welt bewegen und verbleiben wollen (und ihr einziger tiefsinniger Ansatz zu irgendwelchen Lebens- und Daseinsfragen Sternzeichen sind). Es ist eben so einfach über die eigene optimal in Szene gesetzte Attraktivität immer wieder, einfach so, positive Aufmerksamkeit zu bekommen. Und da fällt es natürlich schwer, die Motivation aufzubringen, nicht nur diesen Weg des geringsten Widerstandes zu gehen. Unsere Gesellschaft lässt genau diese infantile Einstellung zu, fördert sie durch ihre Verherrlichung und Konzentration auf das oberflächliche Leben dieser leistungsarmen albernen Mädchen: der Gedanken des Genies, der von Gott geküssten erhabenen Existenz, schwingt hier kulturgeschichtlich immer noch mit, als Traum von der Befreiung von der Banalität des Lebens und seinen Anstrengungen. Das findet zahlreiche Möchtegern-Model-Nachahmer (Spielerfrauen, Starlets, etc.) und schlägt leider auch viele Teenager auf ihrer Suche nach Orientierung in den Bann: Da bekomm ich Bewunderung, Geld, Luxus, tolle Leute einfach so, ohne mich zu bemühen, da lieben mich alle, sogar wenn ich mich albern und schlecht benehme, da gehöre ich zur Spitze und muss nur einfach schön sein.
Hand aufs Herz liebe Leser: Wenn Ihnen einer ihrer Freunde von einer Frau oder einem Mann erzählt und der Zusatz fällt „die/der ist/war Model“, ist ihr Interesse an dieser Person, erst mal (ohne sie zu kennen) doch erhöht. Sie wollen sie/ihn sehen, sie versprechen sich mindestens einen schönen, erotischen Anblick und – und damit kommen wir zum Punkt – irgendeine Form der möglichen Selbsterhebung. Unsere Wahrnehmung von Schönheit ist ein Mittel der Evolution, um Hierarchie herzustellen. Und Hierarchie hat einen sehr hohen Motivationsfaktor (deshalb hat sie sich in der Evolution durchgesetzt): Es gibt ein oben und unten und wir wollen möglichst weit oben sein, um unser Überleben zu sichern. D.h. für unsere Werteordnung möglichst nahe an der Schönheit sein. Hierarchie gibt Orientierung – und ist im Fall der Schönheit zutiefst ungerecht. Und zwar nicht weil schöne Frauen immer bevorzugt werden, obwohl sie oft nichts dafür geleistet haben (Männer werden bei gutem Aussehen auch bevorzugt, doch müssen sie immer, in jeder bisher existierenden Werteordnung der Menschheit, dazu auch noch persönlich etwas leisten: Ein nur schöner Mann ist schon ab 20 lächerlich und wird nicht ernst genommen und genau deshalb investieren Männermodels ihr Geld auch in andere Dinge). Doch bis schöne Frauen einsehen müssen, dass ihre Schönheit, über die sie so leicht immer wieder von außen wie Kinder verwöhnt und bestätigt werden, nicht das große Glück bringt, ihrem Glück im Wege steht, das nun mal für alle Menschen daraus besteht, etwas mit ihrem Leben anzufangen, das nicht nur durch Bewunderung von außen einstellt, sondern durch den berühmten „inneren Flow“ und einem eigenen selbsterkämpften Platz in der Gesellschaft – bis ein Model einsehen muss, dass sie sich Mühe geben muss, anstrengen muss für ihre Ziele, dass nur Widerstände den Inhalt ihres Lebens wertvoll machen, ist sie oft in einem Alter, wo wirkliche Veränderung sehr schwer fällt und es für einen ernstzunehmenden Beruf jenseits der kurzlebigen Flimmer-Hipe-Welt zu spät ist. Deshalb fällt die Ungerechtigkeit der Schönheit auf lange Sicht zu ihren Ungunsten aus – auch wenn das erst mal anders herum scheint.
Doch: Man kann auch als Model psychische Reife und Eigenverantwortung erreichen. Man kann auch schon in jungen Jahren verstehen oder zumindest merken, dass das ständige Vogue-Gelese, Horoskop-Gequatsche, Beziehungs-Dummgesülze, Mode-Gelaber (Stunde um Stunde um Stunde vor Schminkspiegeln, beim Warten, beim mageren Abendbrot von der Hotelsalatbar) unglaublich leer ist, unbefriedigend. Man kann anders reagieren als mit Arroganz gegenüber Menschen, die einen schön finden, einen auf Sockel stellen, sich verlieben und ihre Sehnsüchte auf den Körper eines Models projizieren – auch wenn man das als 19 jährige sicher noch nicht so analysiert. Man kann nett sein zu seinen Mitmenschen, statt arrogant von der eigenen Erhabenheit auszugehen und mit dem genetischen Lottogewinn nicht auch noch andere kränken und schlecht behandeln. Man kann aufhören solche Sätze zu sagen und zu denken wie: „Wenn der mich haben will, soll er nach meiner Pfeife tanzen und mal ein bisschen in Geschenke investieren.“ Oder „Ich glaube ich hab ja wohl was Besseres verdient…“. Ich habe diese Sätze hundertfach so oder ähnlich gehört von dummen Mädchen, die im Leben nichts geleistet oder kapiert hatten – außer shoppen und schminken. Ich würde – wie gesagt – mich nicht zu solchen Urteilen hinreißen lassen, wenn ich es nicht so oft und so lange erlebt hätte und so eindeutig. Und es ist ein Beweis dafür, was mit Menschen passieren kann, die keine gesunde Maßregelung von außen für ihre infantilen narzisstischen Muster erfahren.
Wenn wir davon ausgehen, dass der Mensch einen freien Willen hat (wenn auch nur in Resten) müssen wir auch diese Mädels für ihr Verhalten verantwortlich machen. Denn ihr Schaden geht ja über ihr dummes, leeres Gequatsche weit hinaus: Models sind eben nicht nur irgendwelche albernen, selbstgefälligen Mädchen. Sie stehen im Zentrum unserer Kultur. Models sind keine lächerlichen Randerscheinungen sondern das Richtmaß unserer Werteordnung. Eine Heidi Klum mit ihrem Wichtiggetue über den richtigen Blick in die Kamera, ist mehr für das Unglück der heranwachsenden Generation verantwortlich, als irgendein Ego-Shooter- Spiel. In New York wird jeder Luxus-Apartment-Block mit der Einmietung von Models beworben, was von Millionen Menschen in den Hochglanzmedien begehrlich sehnsuchtsvoll verschlungen wird, wie die Offenbarung über ein sinnvolles, richtiges Leben. Giselle Bündchen, die gerade für 17 Millionen Dollar Schönsein-Gage eine neue Luxusloft erstanden hat, gibt seit Jahren jungen Mädchen UND Männern vor, was das Richtmaß für ein wertvolles Leben, wertvolle Menschen ist. Models werden überall mit ihrer Art der infantilen Lebensgestaltung (Bewunderung und Luxus bis zum Abwinken, alles dreht sich um mich, einfach so, weil ich da bin) für Produkte und Firmen eingespannt, die mit ihnen immer weiter auf ständig steigende Gewinne hoffen. Models stehen im Zentrum von all dem, was heute bedenkenswert falsch läuft. Man kann es sehr gut an ihnen, ihrem Schein und ihrem Sein, analysieren, belegen und festmachen.
Den eigenen Vorteil zu suchen, ist sicherlich in unseren Genen angelegt, doch dieses eine Merkmal des menschlichen Seins erfährt in unserer Kultur eine völlig ungesunde Übertreibung. Und genau dafür steht für mich das Thema: Model. Genau an dem Denken und Leben dieser Mädchen (der meisten jedenfalls) kann ich die Krankheit unserer heutigen Zeit festmachen. Sie sind für mich die Ikonen unserer infantilen Sehnsüchte, die von einem Wertesystem gefördert werden, das jeden anderen Glauben zunichtemacht und damit verdienen einige Leute sehr viel Geld. Und viele andere fühlen sich abgewertet und rennen weiter, um ein Stück vom grünen Rasen zu erhaschen, auf dem diese Mädchen zu sitzen glauben.