Clarice Lispector ist eine in Brasilien sehr bekannte Schriftstellerin, die hierzulande beispielsweise mit Werken wie „Der letzte Augenblick“ Bekanntheit erlangte. Mit „Ich und Jimmy“ aus dem Manesse-Verlag liegt nun eine Sammlung von 30 Kurzgeschichten vor, die im Jahr der Klassikerinnen wie ein Versprechen wirken. Wie die titelgebende Überschrift der ersten Kurzgeschichte bereits nahelegt, stehen bei diesen Geschichten die Frauen im Fokus der Autorin. Natürlich bewegen sich die Hauptpersonen in einem Umfeld, das männlich geprägt ist oder zumindest über anderweitige, prägende Figuren verfügt. Final sind es aber Frauen, deren hier erzählte Geschichten inmitten ihres Alltags aufgegriffen werden.
Manchmal ist es das Ende eines Lebenswegs, manchmal der Neuanfang und auch eine Momentaufnahme, die nichts verändert. Die Hauptpersonen stehen vor Entscheidungen, die ihren Weg maßgeblich ändern könnten – doch nichts ist sicher, die Gedanken springen in alle Richtungen und die Möglichkeiten verstecken sich manchmal hinter strukturellen Gegebenheiten oder internalisiertem Verhalten, dessen sich niemand bewusst ist.
Die Vielseitigkeit der Geschichten hat eine Bandbreite, die sich gewaschen hat: Es finden sich Anspielungen auf Rotkäppchen, Bezüge zu niemand geringerem als James Joyce, genauso flicht sie verlorene Autobahnprojekte aus der damaligen Zeit mit ein sowie Informationen über die indigene Bevölkerung Brasiliens. Es ist ein echter Rundumschlag, der sich an der Realität ausrichtet, an wirklich erlebtem oder zumindest Erlebbarem – gesellschaftlich relevant und doch immer ein gutes Stück abstrakt. Vielleicht kommt diese Abstraktion auch deswegen zu tragen, weil sich das Rad der zeit doch ein gutes Stück weiterbewegt hat. Dennoch macht es viel Spaß, immer wieder in die einzelnen Geschichten abzutauchen um zu sehen, wohin sie uns heute entführen möchte.
Dass es 30 an der Zahl sind, ermöglicht netterweise, das Buch zwischendrin ganz ohne schlechtes Gewissen einmal aus der Hand zu legen. So kann man sich beispielsweise auch jeden Sonntagmorgen beim ersten Kaffee eine der Short Storys gönnen und kann sowohl sich als auch der Autorin Zeit und Raum geben, um das Vergnügen sich entfalten zu lassen.
Kombiniert mit dem bewährten Manesse-Qualitätsfaktor, was Papier, Einband, handliches Format & mehr angeht, ist das Buch für alle geeignet, die (mal wieder) Literatur verköstigen möchten und Appetit auf eine manchmal leicht eigenwillige Autorin haben.
Ich und Jimmy. Clarice Lispector.
Manesse. 24 Euro.