Tony lebt mit seiner Familie im New York City der 60er Jahre – in den USA ist politisch viel in Bewegung, aber eine Sache ist klar: Im amerikanischen Süden hat jeder mit einem Aussehen jenseits der „Kaukasier“ so gut wie keinen Anspruch auf grundsätzliche Menschenrechte. Das ist Teil der äußerst bescheidenen Situation, vor der Dr. Shirley steht – er ist Konzertpianist und wird eine Tour durch den Süden der USA absolvieren.
Als Fahrer engagiert er Tony, einen eher rüpelhaften Kerl vom Typ „Macho“. Aber grundsätzlich kein schlechter Kerl, weswegen er und Dr. Shirley sich auf der Tour näher kommen und sogar eine Art Freundschaft starten. Dabei wirft ihnen die Gesellschaft nicht nur genügend Gründe für eine Freundschaft vor die Füße, sondern leider auch Steine in den Weg. Ist ihre Freundschaft stark genug, um in ihrem Mikorkosmos einen sozialen Wandel anzustoßen?
Die Kritik
Der Film überträgt eine allgemeine Situation der (amerikanischen) Gesellschaft auf einen kleinen Mikrokosmos und zeigt damit, wie tief die Spaltung der Gesellschaft im Einzelfall wirklich geht. Das ist sehr gut gemacht, denn alles, was auf dem persönlichen Level passiert, ist nahbarer, verständlicher und vor allem emotionaler. Dabei tritt vor allem das Argument der Erziehung in den Vordergrund: Tony ist das Produkt seiner Erziehung und die Haltung der Gesellschaft. Warum es trotzdem mit der Freundschaft klappt? Weil er sich darüber erhebt, bewusst reflektiert und dann Änderungen an seiner Haltung, Meinung und Verhalten vornimmt. Es ist sein eigener moralischer Kompass, dem er folgt, nicht mehr der allgemein herrschenden Attitüde. Das setzt allerdings voraus, dass es diesen Kompass gibt und auch die Bereitschaft vorhanden ist, eigene Fehler einzugestehen. Insofern kann man den Film sehr gut als kleines Mahnmal dafür verstehen, auch einmal das eigene Leben auf solche gesellschaftliche Mechanismen zu untersuchen.
Jedoch gibt es ein Geschmäckle bei der ganzen Sache: Streckenweise fühlt sich der Film an wie ein feelgood-Movie über die heutigen „guten“ und damaligen schlechten Zeiten. Warum muss der Kern der Geschichte als eine „ungewöhnliche“ Freundschaft bezeichnet werden? Für die damaligen Zustände mit Sicherheit eine polarisierende Konstellation. Aber mit Sicherheit ist es der weiteren Veränderung eher abträglich, auf der Andersartigkeit der Freundschaft zu bestehen, wo sie doch längst normal und alltäglich sein muss. Womit wir bei der Diskussion um den Sprachgebrauch angekommen wären, die an dieser Stelle zu weit führen würde.
Fazit ist und bleibt, dass es ein sehr sehenswerter Film ist mit vielen Höhen und der einen oder anderen flachen Stelle. Es gibt moralische Ansichten, die man sich zu Gemüte führen kann, ohne dass es wirkt wie vom hohen Ross herab. Auf jeden Fall eine starke Empfehlung für das sommerliche Heimkino 2019!
PS – das Green Book ist eine Art Hotelliste, in der Afroamerikaner erfahren haben, welche Hotels ausschließlich Weiße beherbergten und welche für all le Gäste zugänglich waren.
PPS – perfekt besetzte Charaktere, die mit Sicherheit viel Vergnügen beim Dreh hatten, was man dem Film deutlich anmerkt.
GREEN BOOK
Ab dem 20. Juni im Vertrieb von Entertainment One auf DVD, digital und BluRay im Handel erhältlich.