Immer wieder werde ich gefragt, warum so viele Menschen eine Therapie anfangen und dann scheitern, abbrechen oder das Gefühl haben, es habe ihnen nichts gebracht. Damit einher geht die Frage nach guten oder schlechten Therapeuten.
Von Katharina Ohana, Psychologische Beraterin, Bestsellerautorin und academicworld-Expertin
In Deutschland ist die „höchste“ Form der Psychotherapie die Psychoanalyse. Psychoanalytiker sind für die schweren Probleme zuständig und haben die beste Ausbildung. Und: Sie müssen mindestens 500 Stunden selbst auf der Couch gelegen haben, um ihre eigenen Probleme und Konflikte aufzuarbeiten. Sie müssen austherapiert sein, bevor sie selbst Patienten behandeln dürfen.
Es gibt mittlerweile ziemlich viele sogenannte „operationalisierte“ Studien, warum und wie und welche Therapie am besten wirkt. Einer der Hauptfaktoren für eine gute Therapie ist ein guter Therapeut, der seine Konflikte vollkommen aufgearbeitet hat, denn nur dann merkt er, was die Konflikte des Patienten sind und kann gut und reif damit umgehen. Denn der Patient überträgt all seine Probleme auf den Therapeuten, alle seine Probleme, die er sonst in zwischenmenschlichen Beziehungen hat, tauchen hier auf. Der Therapeut wird zum Erwachsenen, der dem inneren Kind des Patienten den Weg weißt, ihm zum guten Vorbild wird – im Gegensatz zu den wirklichen Eltern, die sich so schlecht und unreif verhalten haben, dass der Patient dadurch seine falsche Weltsicht, Selbstsicht und Probleme bekommen hatte. Deshalb muss der Therapeut innerlich wirklich erwachsen und stark sein und das zeigt sich am erwachsenen Umgang mit Patienten, aber auch in seinem privaten eigenen Umfeld.
So ziemlich alle Therapeuten werden Therapeuten, weil sie ursprünglich selbst mal Probleme hatten. Leider machen viele dann ein Studium und eine Ausbildung zum Therapeuten und fangen viel zu schnell an, anderen zu helfen, obwohl sie selbst mit ihren Problemen noch tief in den Kinderschuhen stecken. Eigentlich ist das unverantwortlich. Aber wenn man selbst glaubt, schon ein erwachsener Helfer zu sein, kann man umso besser den schmerzhaften Auseinandersetzungen entgehen, die das innere Kind in der (Therapeuten-)seele immer noch nicht tragen kann. Man kann seiner eigenen Schuld und Schmerzen entgehen und sich hinter seinem Wissen und seiner Helferrolle verstecken.
Aber außer bei Psychoanalytikern (auf jeden Fall in Deutschland), die erst aus der Lehranalyse entlassen und auf Patienten los gelassen werden, wenn ihr Lehrtherapeut sie für austherapiert hält, haben andere Therapierichtungen oder Analytiker anderer Länder (z.B. der USA) diese Vorgaben nicht. Und so passiert es, dass sie privat mit Kind und Kegel eigentlich selbst noch eine Therapie bräuchten, aber nach außen hin als Fachleute auftreten. Ihre inneren Kinder schreien selbst noch nach Aufmerksamkeit, kämpfen mit Neid, Eifersucht, Trauerprozessen und Minderwertigkeitsgefühlen, während sie nach außen (und oft genug vor sich selbst) leugnen, eigentlich selbst noch Hilfe zu brauchen. Sie benutzen die Aufmerksamkeit und Anerkennung der Außenwelt, die sie durch ihren Helfer-Titel bekommen, als Status – und kehren Zweifel unter den Teppich.
Jeder Therapeut braucht einen Supervisor, wenn er mit Patienten arbeitet. Dieser andere Therapeut mit Zusatzausbildung zum Kontrolltherapeut ist quasi die Back-up Kontrolle. Mit ihm muss man immer wieder über seine Patienten sprechen, er passt auf, dass Reste von unverarbeiteten Konflikten nicht auf den Patienten übertragen werden, dass eben der Patient therapiert wird und nicht der Therapeut sich über den Patienten selbst stabilisiert oder ihm Probleme unterschiebt, die er eigentlich selbst hat. Aber manchmal versagt dieses Kontrollsystem, weil der Supervisor belogen wird oder weil er nicht durchdringt, denn der Therapeut möchte sich nicht in Frage stellen lassen – nicht mal von einem anderen Therapeut. Die Selbstzweifel würden zu groß.
Doch wie merkt man als Patient in einer Therapie, mit der man nicht zurechtkommt, ob das jetzt am Therapeuten oder am eigenen Problem liegt? Das ist eine echte Schwierigkeit. Man kann den Therapeuten wechseln, sollte dann aber darauf achten, ob man an derselben Stelle, bei demselben Problem plötzlich wieder die Therapie abbrechen möchte. Das ist ein Hinweis darauf, dass man sich dem Schmerz nicht stellen möchte und weg läuft (man könnte es natürlich auch noch ein drittes Mal versuchen: Drei schlechte Therapeuten hintereinander sind in Deutschland wirklich unwahrscheinlich, vor allem, wenn es sich um Psychoanalytiker handelt). Oft gerät man beim zweiten Versuch aber schon an jemanden, der als Therapeut besser auf das Problem passt, einfach nur, weil es ein anderer Mensch mit anderer Empathie ist. Dann schafft man es Schmerzen und Konflikte mit seiner Hilfe endgültig zu überwinden.
Nicht selten brechen auch werdende Analytiker ihre Lehranalyse ab, wenden sich einer anderen Therapieschule zu, die nicht so viele Ansprüche stellt – schon gar nicht an die Eigenanalyse. So werden sie dann schneller zum Helfer, ohne sich zu schmerzhaft selbst in Frage zu stellen. Wenn Sie als Patient in Deutschland also wirklich Probleme haben mit ihrem Leben, tiefen Depressionen, Ängsten und schlimmen unglücklichen Beziehungen, gehen Sie am besten zu einem Psychoanalytiker. Die Chancen stehen hier am besten, dass Sie direkt gute Hilfe finden.
PS: Eine ausführlichere Erklärung, was in einer Therapie passiert und welche Therapeuten es zu welchen Problemen gibt, findet man in meinem Buch: „Gestatten: Ich. Die Entdeckung des Selbstbewusstseins.„