Obacht, hier handelt es sich um einen Reihenauftakt, was man leider erst am Ende der Geschichte feststellt – wenn man googelt, denn das Ende ist zu offen, um ein echtes Finale darzustellen. Leider findet man auch auf den zweiten Blick bei Google nichts und muss zum englischen switchen mit folgendem Zwischenergebnis: Bei Goodreads sind derzeit 3 Bücher gelistet.
Chicago im Jahr 1913: Es ist eine Welt, in der Frauen in sozialer Abhängigkeit leben müssen – da wundert es nicht, dass eine alleinstehende Mutter und ihre Tochter zu Betrügerinnen wurden und vom Ergaunerten leben. Doch für die junge Dorothy ist eine Grenze erreicht: Denn nun möchte ihre Mutter sie sogar gegen ihren Willen verheiraten, um langfristig stabil zu leben. Dorothy bricht aus – und findet im Wald einen jungen Mann mit einem seltsam anmutenden Flugzeug, der ganz offensichtlich so gar keine Laune dafür hat, ihr zu helfen. Also klettert Dorothy in einem unbeobachteten Moment auf die Ladefläche und erwacht in einer völlig neuen Realität!
Chicago im Jahre 2077, nach katastrophalen Erdbeben vernichtet und zum Großteil überflutet, nicht mal mehr Teil der USA … Ihr Pilot heißt Ash und er ist auf der Flucht vor dem sicheren Tod durch die Hand eines weißhaarigen Mädchens. Zudem war er Lehrling bei einem Professor, der das Zeitreisen erfunden hat und nun verschwunden ist. dabei hofft Ash, nicht nur sein Leben, sondern das vieler tausend anderer zu retten, wenn sie nur endlich die Vergangenheit ändern könnten.
Der Leseeindruck
Am Anfang treffen die beiden Protagonisten sehr schnell aufeinander, wobei der Fokus klar auf Dorothy liegt. Ihre Lage versteht man am schnellsten und ist emotional auch sehr nachvollziehbar. Entsprechend hofft man inständig für sie, dass sie ihren Weg findet, wobei dieser offenbar in einer derart dystopischen Zukunft liegt, dass sich erste Zweifel regen. Hier liegt der erste Hund begraben, der die Leser:innen leiden lässt – denn die Zukunft erscheint nicht wirklich lebenswert. Wäre es da nicht schöner, in die Vergangenheit zu reisen? Aber dorthin will Dorothy nicht wirklich, denn Ash wirkt doch ganz anziehend auf sie … Zumal die Zukunft in Sachen Selbstbewusstsein und Frauenrechten ganz anders ist als das Jahr 2013. Süß gemacht ist die bereits angedeutete Romanze, die nicht zu stark in den Vordergrund rückt. Beide Charaktere wollen einander nicht permanent gefallen, jede:r verfolgt den eigenen Weg und bekommt auch mal kalte Füße. Und all das ohne übertriebene Teenie-Aktionen, sodass man auch als nicht-Teenie das Buch noch gut lesen kann.
Zeitreisen – kompliziert?
Alles, was mit Zeitschleifen zu tun hat, kann massiv kompliziert werden. Wer zurückreist, sich selbst sieht, etwas zu stark verändert … Man kennt es, hier gibt es schnell Logiklücken. Die Komplexität der Zeitreise wird in diesem Buch insofern reduziert, als dass von selbstheilenden Zeitschleifen gesprochen wird. Die Zeit weiß also, wenn jemand unterwegs ist in die Vergangenheit, um sie massiv zu ändern. Diese Person landet dann einfach nicht in der Vergangenheit, sondern geht aus nicht erkennbaren Gründen mit der Zeitmaschine krachen. Das ist einem Jugendbuch durchaus angemessen, denn alternativ stünden viel zu viele Logikfragen im Raum, die langatmig beantwortet werden müssten.
Schön sind die verkappten Twists, die die Leser:innen meistens überraschen dürften. Sie entstehen daraus, dass die Charaktere ihrer Linie treu sind und nicht plötzlich neue Charakterzüge an den Tag legen, um der Handlung eine Wendung zu geben. Das ist klasse! Ganz nebenbei erklären diese Twists viele fragen, die sich stückweise aus dem Zeitreise-Aspekt ergeben. Spannend bleibt auch die Suche nach dem Professor, der irgendwo in der Zeit stecken muss und offenbar einen Plan verfolgt, von dem niemand etwas weiß. Damit fehlt allen ein Stück Wissen über die Zeit, Zukunft und der daraus entstehenden Abhängigkeit voneinander, die – für ein Jugendbuch – am Ende noch mal für eine ordentliche Überraschung sorgt.
Ein klein wenig schade ist das offene Ende, bei dem erst klar wurde, dass es sich um einen Reihenauftakt handeln muss.
Danielle Rollins. Stolen Time. Band 1.
cbj Verlag. 19 Euro.