Absolute Triggerwarnung für Kindesmissbrauch!
Er ist ein gruseliger Anblick und sein Geruch ist eine Mischung aus Tod, Wald und Pfeffer – also tauft die junge Cassandra dieses Wesen den „Pepper-Man“. Nur sie kann ihn sehen und er ernährt sich des nachts von ihrem Blut. Sie geht offen mit seiner Anwesenheit um und wird zunehmen als verrückt und irre eingestuft. Im Erwachsenenalter wird sie des Mordes an ihrem Ehemann angeklagt – nicht der einzige gewaltsame Tod in ihrem Leben, weswegen sie immer zurückgezogener lebt. Als sie für über ein Jahr verschwunden ist, hinterlässt sie als nunmehr erfolgreiche Autorin ein besonderes Manuskript: Sie erzählt ihren beiden Erben ihre eigene Geschichte, ihre Sicht der Dinge von der Kindheit an bis hin ins hohe Alter.
Wirklich ernst gemeint: Triggerwarnung!
Erzählt wird auf 2 Ebenen: Die vermeintlich ausgedachte Welt von Cassandra voller Feen und die Realität, die hauptsächlich über den Psychiater Dr. Martin und Cassandras Mutter transportiert wird. Es bleibt bis zum Ende nicht klar, welche der beiden Sichtweisen korrekt ist, sie verschwimmen immer wieder. Für jede:n Leser:in mit persönlichem Bezug zu dem Thema Kindesmissbrauch ist aber von Anfang an klar, dass hier ein massives Trauma vorliegt. Das Problem ist dabei vor allem, dass dieser erst am Ende kritisiert wird, verurteilt wird und vorher fast schon rechtfertigt durch nichts anderes als das zutiefst verhasste „aber er liebte mich“. Man möchte mit Fackeln bewaffnet in dieses Buch reisen und den Pepper-Man samt Brut ins Nichts verbrennen.
Der Zusammenhang zwischen der Gestalt Pepper-Mans mit dem Vater der Geschichte ist einfach zu deutlich betont, als dass man eine andere Interpretation als den Kindesmissbrauch haben könnte. Einerseits wird erwähnt, auch der Vater rieche nach Pfeffer, dazu die Wut der Mutter auf ihn und nicht zu vergessen, wie nett Pepper-Man wird, als der Vater ermordet wird. Wer von Anfang an das im Hinterkopf hat, auch weil es von Anfang an einfach wie Pädophilie wirkt, liest dieses Buch entweder gar nicht oder mit Widerwillen. Es ist die Perspektive einer Frau, die das Kindheitstrauma durch Geschichten neu erzählt und sich so geistig und emotional im Leben verankert. Genau so, wie der in der Erzählung vorkommende Psychiater es auf den Punkt bringt: Sie versucht, damit fertig zu werden und bleibt damit allein. Es ist eine zutiefst schockierende Handlung und noch schmerzhafter wird es, wenn man darüber nachdenkt, wie oft solche Geschichten in unserer Realität versteckt bleiben.
Selbst, wenn man die „sie beschreibt eine magische Welt, die niemand außer ihr sieht“-Brille tragen möchte, um eine Reise in ein düsteres Feenreich anzutreten, kommt man um diesen gewaltigen Themenblock nicht herum. Diese Reise wird sehr nicht-magisch ins Wasser fallen. Denn selbst, wenn die magische Welt real wäre und damit Cassandras Sicht der Dinge, wäre die Verbundenheit des Pepper-Man mit einem Kind einfach nicht angebracht, völligst inakzeptabel.
Der Klappentext klingt dabei sehr verharmlosend, sodass bei einer neuen Auflage bitte dringend nachjustiert werden muss. Dieses Buch ist kein Wohlfühl-Thriller mit übernatürlichen Elementen, es gibt keine tolle magische Welt voller Glitzerfeen. Gruselig ist, wie lapidar mit dem Thema umgegangen wird, das war der eigentliche Schockmoment beim Lesen.
Pepper-Man. Camilla Bruce.
Droemer-Knaur. 12,99 Euro.