Tom Kummer arbeitete ab 1993 als Hollywood-Korrespondent für die Magazine der Süddeutschen Zeitung und des Tages-Anzeigers sowie als freier Journalist (unter anderem für Die Zeit, Der Spiegel, Frankfurter Allgemeine und Stern). Zudem ist der gebürtige Schweizer Autor mehrerer Bücher. Im Jahr 2000 löste Tom Kummer einen Presseskandal aus, als bekannt wurde, dass er zahlreiche Interviews mit Prominenten, die im SZ-Magazin erschienen waren, gefälscht hatte. 2010 drehte der Regisseur Miklós Gimes einen Dokumentarfilm namens „Bad Boy Kummer“ über den umstrittenen Journalisten, der heute als Bücherautor in Bern lebt.
Tom, was an Ihrer Arbeit hat Sie heute glücklich gemacht?
Die süße, weiche Luft des Pazifiks während ich Tennisunterricht gebe. Oder die seltsame David Lynch Bedrohlichkeit der Stadtbibliothek Los Angeles, wo es von Heimatlosen und geistig Umnachteten wimmelt, die hier tagsüber an den Schreibtischen schlafen, während ich mich nebenan mit einem nie enden wollenden Romanfragment oder einer Drehbuchidee abquäle.
Welche Ziele haben Sie im Leben?
Freie, unabhängige Zeit kreieren fürs Lesen, Studieren, Schreiben. Freie Zeit für die Familie, für meine Hobbys als Tennislehrer, Fitnessguru, Naturalist und Kinogänger.
Welchen Beruf haben Sie sich als Kind als den Aufregendsten vorgestellt?
Zuerst Fußballprofi, dann Tennisprofi, etwas später wollte ich ein Filmemacher wie Fassbinder, Godard oder Orson Welles werden. Als ich dann Tom Wolfe und Hunter S. Thompson zum ersten Mal gelesen habe, und die sich „Journalist“ nannten, da kam erstmals die Idee, sowas wie Journalismus wäre wohl auch was für mich.
Was ist die größte Veränderung in Ihrem Leben in den letzten Jahren gewesen?
Vor zehn Jahren erklärte mich die New York Times zum „Bad Guy of German Journalism“. Später erklärte ich in einem Spiegel-Interview eher amüsiert, dass meine inszenierten Interviews so eine Art „Implosion des Realen“ gewesen seien. Das hat mir die Pressebranche womöglich bis heute nicht verziehen.
Was hat Ihre Karriere am meisten beschleunigt?
Risiken einzugehen. Zum Beispiel sich durch Selbstsubversion den heuchlerischen Spielregeln der Medien zu entziehen, um eine tiefere Wahrheit im eigenen Tonfall zu imaginieren. Ein neuer Hunger nach Realität beschleunigte meine Karriere und verpasste meinen Texten plötzlich eine unverwechselbare Handschrift. Die Frage, ob auf dieser extremen Suche nach einer neuen Realität und tieferen Wahrheit dies und das wahr ist, wurde zweitrangig (sogar für meine Chefs und Auftraggeber, jedenfalls für viele Jahre).
Wie sind „Harte Arbeit“ und „Glück/Zufall“ als Grundlage Ihres Erfolges (prozentual) verteilt?
Schwer zu sagen. Ich empfand vieles als harte Arbeit. 90:10
Was gibt Ihnen am meisten Kraft bei der Arbeit?
Der Spaß an der Recherche! Bücher durchwühlen, während Ambientsound durch die Kopfhörer fließt.
Welches war bisher der größte Fehler in Ihrem Berufsleben?
Ich verlor den Instinkt, wie weit ich mit meiner Art zu Schreiben, gehen kann. Ich wusste nicht mehr zwischen einem Insiderspaß und der Selbstzerstörung zu unterscheiden. Und dann war da noch die wunderbare Isolation der Ferne und die absolute Unlust, Networking in Deutschland zu betreiben.
Was bedeutet es für Sie zu scheitern?
Ein ziemlich heftiger psychischer und seelischer Test. Leider mag ich solche Herausforderungen. Was nicht immer gut ist für mich und meine Umgebung. Weil man nämlich das Scheitern plötzlich als sehr, sehr sinnvoll entdeckt. Es fühlt sich in den besten Momenten wie so eine endlose Wüstenwanderung an, auf der einem das Wasser und die Orientierung ausgegangen sind. Da gibt’s bezaubernde Momente.
Worauf sind Sie beruflich stolz?
Ich habe einige wirklich fantastische Sätze geschrieben. Das ist alles.
Was hat Ihnen Ihr schulischer Werdegang für Ihren Beruf gebracht?
Es hat mich dramatisch isoliert, geradezu verbannt. Ich hasste die Schule und die Schule hat mich gehasst. Das hat mich gezwungen, meine eigenen intensiven Studien zu führen. Was mir wiederum die Möglichkeit gab, total „außenseiterisch“ zu denken.
Woran können Sie verzweifeln?
An meiner Faulheit. Obwohl ich gerne acht Stunden am Stück lese. Ich habe noch heute immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich nicht lesen oder Gedanken notieren kann.
An wessen Stelle würden Sie gerne einmal für einen Tag stehen?
Lionel Messi oder vielleicht Ethan (oder Joel) Coen, die Filmemacher.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, wie würde er lauten?
Auf alle Ewigkeit Vater von meinen sechsjährigen Jungen zu sein.
Was vermuten Sie, wie würden Kollegen Sie beschreiben, wenn Sie nicht im Raum sind?
Lügner, Fälscher, Angeber – und über so einen Arsch wird noch ein Kinofilm gedreht.
Haben Sie Vorbilder und wenn ja, was haben Sie von diesen gelernt?
Jedes gute Buch, jeder große Film oder fantastische Feuilletontext in der New York Times oder Süddeutschen Zeitung hat mich beeinflusst.
Was schätzen Sie besonders an Kollegen?
Wenn Sie mir vertrauen, auch wenn ich nicht immer vertrauenswürdig erscheine und extreme Wege gehe.
Wie verbinden Sie Karriere und Leben miteinander?
Das Leben zur Karriere machen scheint mir der richtige Weg.
Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?
Auf einem noch nicht klar definierten Thron! Oder als Hank Moody aus der TV-Serie Californication.
Wenn Sie gezwungen wären, unseren Lesern einen Rat zu geben, wie würde dieser lauten?
Risiken eingehen – mindestens einmal pro Monat! Und nochmals meine Bücher lesen und 30 Interviews analysieren, die im SZ Magazin erschienen sind! Plus vielleicht Californication schauen. Mindestens einmal pro Woche.
Vollenden Sie bitte den Satz „Wichtiger als Karriere ist…“
Da werde ich ganz brav und vernünftig: Die Gesundheit meiner Familie ist mir am wichtigsten….