Daniel Gotthardt ist Arzt, promoviert, habilitiert und arbeitete lange erfolgreich am Universitätsklinikum Heidelberg. Heute ist er Unternehmer und entwickelt E-Health-Lösungen. Warum er immer Arzt bleiben möchte, weitere Mediziner sucht und die Digitalisierung für eine wichtige Ergänzung im Praxisalltag hält, erklärt er im Gespräch mit arzt & karriere (Partner von Academicworld.net).
Was genau macht die Gotthardt Healthgroup?
Wir sind ein Anbieter von E-Health-Lösungen für niedergelassene Ärzte und Patienten. Bislang bieten wir unseren Kunden zwei verschiedene Produkte an: den GHG-Praxisdienst, der Ärzte in ihrer täglichen Arbeit am Patienten unterstützt und für Patienten unsere App Mediteo, die man auf jedem Smartphone nutzen kann und bei der regelmäßigen Medikamenteneinnahme unterstützt.
Zu Ihrer Person: Sie haben eine ganz normale Medizinerausbildung durchlaufen und lange als Arzt im Klinikbetrieb gearbeitet.
Das ist richtig, ich habe in Heidelberg Medizin studiert und danach am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung sowie dem Imperial College of Science, Technology and Medicine in London promoviert. 2011 habe ich mich für das Fach Innere Medizin habilitiert und zuletzt als geschäftsführender Oberarzt der Medizinischen Klinik IV am Universitätsklinikum Heidelberg gearbeitet.
Eigentlich ist es dann eher ungewöhnlich, ein Start-up zu gründen – noch dazu im E-Health-Bereich, in dem Digitalisierung und Informatik- Know-how eine große Rolle spielt. Wie kam es dazu?
Ich bin damit großgeworden, denn mein Vater hat ein großes IT- Unternehmen im Medizinbereich gegründet. Meine Mutter ist Zahnärztin, mein Vater Informatiker. Er erkannte früh, wie man niedergelassene Ärzte mittels einer gut programmierten Software in ihrem ärztlichen Alltag unterstützen kann. Seine Softwarelösungen werden heute in etwa fünfzig Prozent aller Arztpraxen in Deutschland eingesetzt. Insofern war ich bei meinem Einstieg als Unternehmer deutlich ,vorbelastet’, wenn Sie so wollen. Aber die Lösungen, die wir heute zur Marktreife entwickeln, fußen ganz konkret auf meinen Erfahrungen als Mediziner.
Können Sie uns ein Beispiel nennen?
Ja, gerne. Ich habe jahrelang als Facharzt für Gastroenterologie im Universitätsklinikbetrieb gearbeitet. Selbstverständlich kommt man in dieser Funktion auch mit klinischen Studien der Phase II und III in Kontakt. Diese Studien sind für viele Patienten eine große Hoffnung, um ihre Gesundheit wiederherstellen zu können. Und ganz häufig werden diese Studien auch mit Patienten aus kliniknahen Studienzentren versorgt. Es ist allerdings Tatsache, dass in Deutschland etwa 98 Prozent aller Patienten ambulant und nicht stationär betreut werden. Die unter Umständen sehr geeigneten, potenziellen Studienteilnehmer sind für Studienrekrutierung aber kaum greifbar.
Und wie kann da Ihre E-Health-Lösung helfen?
Wir haben eine Softwarelösung entwickelt, die bei niedergelassenen Ärzten auf deren Rechnern im Hintergrund läuft und auf deren Daten ausschließlich der jeweilige Arzt zugreifen kann. Die Software kann bestimmte studienrelevante Daten sammeln und den Ärzten einen Hinweis geben, dass ein Patient in eine Studie passen könnte. Ob der Arzt seinem Patienten den Zugang zu der jeweiligen Studie gewähren möchte, entscheiden die niedergelassenen Ärzte völlig frei, denn nur diese verfügen über die Patientendaten. Und letztlich entscheidet dann alleine der Patient, ob er an einer möglicherweise geeigneten Studie teilnehmen möchte oder nicht.
Ist das für die Ärzte mit großem Aufwand verbunden?
Überhaupt nicht, denn die Software läuft ja im Hintergrund. Falls eine passende Studie gefunden wird, dann wird der niedergelassene Arzt informiert und kann entscheiden, ob er seinen Patienten wirklich für geeignet hält. Der reine Verwaltungsaufwand spielt sich im Bereich von wenigen Minuten ab, selbstverständlich ohne das darauf folgende Arzt- Patienten-Gespräch.
Arbeiten Sie auch mit Pharmafirmen zusammen?
Selbstverständlich. Die Pharmafirmen als Sponsoren der Studien haben daran ein großes Interesse, denn wenn Studien schneller aufgesetzt werden können, spart das viele Kosten ein. Nicht nur für die Pharmafirmen, auch für die Krankenkassen und damit letztlich auch für die Gemeinschaft aller Patienten und die Volkswirtschaft. Sie dürfen nicht vergessen, wie die Rekrutierung von geeigneten Patienten heute in niedergelassenen Praxen abläuft: Pharmavertreter verteilen gedruckte Flyer an die niedergelassenen Ärzte und suchen das persönliche Gespräch mit den behandelnden Medizinern. Unser System kann da wesentlich präziser analysieren und die Ärzte aufmerksam machen – sofern diese das wünschen. Die Teilnahme ist für jeden Arzt völlig freiwillig.
Sie halten E-Health-Lösungen also für die Zukunft in der Medizin?
Für einen kleinen, aber nicht unwesentlichen Teil. Davon bin ich als Mediziner zutiefst überzeugt. Ich nenne Ihnen dazu gerne noch ein anderes Beispiel. Als behandelnder Arzt sind Sie – darin werden sich Ihre Leser wahrscheinlich sofort wiedererkennen – beim Heilungserfolg sehr vom Patienten abhängig, wenn Sie beispielsweise an die sorgfältige Medikamenteneinnahme denken. Als Arzt können Sie ein hervorragender Diagnostiker und Behandler sein, aber man ist als Arzt darauf angewiesen, dass der Patient seine Medikamente regelmäßig einnimmt, um den gewünschten Heilungserfolg zu erreichen.
Ich befürchte, ich gehöre zu dieser Zielgruppe. Tabletten im Krankheitsfall regelmäßig zu nehmen, gehört nicht zu meinen Stärken.
Ich kann Sie beruhigen, Sie sind da nicht der Einzige. Und Patienten haben übrigens auch immer Gründe, warum sie so handeln. Aber es wäre doch toll, wenn Patienten eine Unterstützung bei der Medikamenteneinnahme bekommen. Deshalb haben wir die App Mediteo entwickelt, die Patienten mittels deren Smartphone daran erinnert, verschriebene Arzneien regelmäßig einzunehmen. Sie informiert auch über die Wirkstoffe und Nebenwirkungen. Und sie lobt Sie, wenn Sie das wünschen. Diese Option kann man aber auch deaktivieren, wenn Ihnen das lieber ist. Die App ist übrigens kostenlos.
Das klingt nach einem persönlichen Anliegen …
Absolut. Ich habe als Arzt häufig genug erlebt, welche Probleme eine unregelmäßige Medikamenteneinnahme verursachen kann. Auf unserem Workshop ist das übrigens auch eines unserer Themen. Mir liegt diese Sache wirklich am Herzen und ist auch einer der mit ausschlaggebenden Gründe, warum ich E-Health-Unternehmer geworden bin. Ich bleibe Arzt. Und ich möchte vielen Menschen helfen. Das ist der Antrieb.
Wie viele Mitarbeiter hat Ihr Unternehmen derzeit?
Wir haben unser Unternehmen Ende 2015 gegründet und sind derzeit dreißig Mitarbeiter. Wir wachsen sehr stark. Unsere Software findet bei den niedergelassenen Ärzten immer mehr Akzeptanz, mittlerweile arbeiten auch sehr viele Pharmaunternehmen mit uns zusammen. Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung und nur möglich, weil wir ein sehr gutes Team haben. Das sind Informatiker, Medizininformatiker, Physiker und natürlich Mediziner. Wir wollen weiter wachsen und sind auf der Suche nach Medizinern, die mit uns zusammen neue Wege im E-Health- Bereich gehen möchten. Deshalb veranstalten wir auch diesen Workshop. Wir sind auf der Suche nach neuen Mitarbeitern und selbstverständlich auch nach neuen Ideen.
Expedition E-Health – der Recruiting Event der Gotthardt Healthgroup AG
Vom 31. Mai bis zum 2. Juni 2017 lud die Gotthardt Healthgroup AG zwanzig Mediziner ab dem achten Semester sowie junge Ärzte zu einem Workshop zum Thema E-Health auf Schloss Elmau bei Garmisch- Partenkirchen ein. Folgenden Fragen gingen die Nachwuchsmediziner in Arbeitsgruppen nach und versuchten kreative Lösungen zu folgenden Problemstellungen zu entwickeln:
- Welche digitale Lösung könnte die Behandlung von Patienten mit komplexen Erkrankungen optimieren?
- Welche digitale Lösung könnte den fachlichen und kollegialen Austausch zwischen Ärzten beflügeln?
- Welche digitale Lösung könnte die Medikamenten-Einnahme bei Patienten zuverlässig gestalten?
- Welche digitale Lösung könnte Evidenz für einen verbesserten Heilungsverlauf auf Grund einer bestimmten Ernährungsweise liefern?
- Wie könnte eine digitale, intelligente Lösung, die dem Arzt übersichtlich die wichtigsten Informationen zum aktuellen Patienten liefert, aussehen?
Nach heutigem Stand soll der Event auch 2018 wieder stattfinden. Bewerben können sich Mediziner ab dem 8. Semester, sowie Ärzte im PJ oder in der Facharztausbildung. Ein Termin steht noch nicht fest. Nähere Informationen zu anderen Events der Gotthardt Healthgroup AG unter gotthardt.com/events/
Stand: Sommer 2017