Professor William Moulton Marston, Schöpfer von Wonder Woman, lebte ein für einen Akademiker des frühen zwanzigsten Jahrhunderts in vieler Hinsicht unkonventionelles Leben. Neben Forschungsarbeiten und Psychologievorlesungen zählen die Erfindung des Lügendetektors und die Erschaffung der ersten erfolgreichen, wenn auch sehr umstrittenen Superheldin zu seinem Repertoire. Doch wäre das alles nicht möglich gewesen ohne die Unterstützung von zwei einzigartigen Frauen in seinem Leben.
Tagsüber unterrichtet Professor Marston psychologische Ansätze über menschliches Verhalten; nachts arbeiten er und seine Frau Elizabeth an einer frühen Form des Lügendetektors. Als ihm die hübsche Studentin Olive Byrne als wissenschaftliche Hilfskraft zugeteilt wird, quellen plötzlich in beiden Ehepartnern widersprüchliche Gefühle auf. Auch die charmante, gutherzige Olive kämpft mit ihrer Bewunderung für die starke, exzentrische Elizabeth, der man als Frau trotz ihres Intellekts einen akademischen Grad verwehrt, und ihren charmanten, weltgewandten Ehemann. Nach langem Ringen mit sich selbst und den Normen der Zeit entlockt eines Nachts der gemeinsam entwickelte Lügendetektor den Beteiligten ein Liebesgeständnis. Das bringt die Gefühle zum Überkochen und führt zu einer schicksalshaften, hemmungslosen Liebesnacht.
Es dauert nicht lange, bis ihre „unorthodoxe“ Beziehung zu den Ohren von Elizabeth und Williams Arbeitgebern sowie Olives Verlobten durchdringt. Arbeitslos und von der Gesellschaft verstoßen, müssen sie sich in einer anderen Stadt ein neues Leben aufbauen und ihre Liebe verstecken, denn Olive erwartet von ihrem ehemaligen Professor ein Kind. Dieser versucht weiterhin erfolglos seine DISC-Theorie über Dominance (Dominanz), Inducement (Beeinflussung), Submission (Unterwerfung) und Compliance (Fügsamkeit) als Teil des menschlichen Umgangs zu verbreiten. Erst als die drei beginnen, sich mit den erotischen Aspekten der Begriffe vertraut zu machen, kommt William die zündende Idee: Er will die DISC-Theorie in Comic-Form unter den Menschen verbreiten, und zwar mithilfe einer starken, modernen Frau als Leitfigur, einer Heldin, basierend auf seinen zwei Geliebten – Wonder Woman war geboren.
Die Kritik
Wonder Woman basiert also auf zwei Frauen und einer Idee. Regisseurin Angela Robinson inszeniert Elizabeth und Olive als sehr gegensätzlich. Erstere ist ehrgeizig, direkt und durch und durch eine arbeitshungrige Wissenschaftlerin während die Zweite als schüchtern, gutmütig und Familienmensch skizziert wird. „Zusammen seid ihr die perfekte Frau“ schwärmt Marston im Film. Beide Hälften von Wonder Womans Vorbildern sind starke und moderne Frauen sowie Rebellinnen ihrer Zeit. Sie formen gemeinsam das Bild der Heldin, die in die „Welt der Männer“ eindringt und sie zu ihrem eigenen Besten ordentlich umkrempelt.
Auch Marstons DISC-Theorie war fester Bestandteil von Wonder Womans Charakter in den frühen Comics – und damit verbunden auch alles rund um das Tabuthema Bondage. Beispiele dazu sind quasi endlos: Wonder Womans Outfit ist Olives Burlesque-Kostüm für private Stunden nachempfunden; das „Lasso der Wahrheit“ basiert auf dem Lügendetektor und zwingt Gegner – durch Fesseln – zur Unterwerfung. Der Film zeigt immer wieder Comicpassagen, in denen die Heldin ihre (meist weiblichen) Gegner fesselt und ihnen buchstäblich den Hintern versohlt. Kein Wunder, dass Wonder Woman’s Abenteuer bald ein umstrittenes Thema sind. Die Kontroverse um die Comics in den 40er Jahren, welche im Film buchstäblich auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden, ist ebenfalls Teil der Erzählung und des Konflikts rund um das Privatleben der Protagonisten.
Der Film wirft einen neuen Blick auf die DC-Heldin Wonder Woman, die vor wenigen Monaten mit ihrem neuen Film die deutschen Kinos eroberte. Jedoch wird ein Comicbuchfan, der auf Hintergrundinfos zu seiner Lieblingsheldin aus ist, nur bedingt auf seine Kosten kommen, denn im Vordergrund steht ganz klar das Liebesleben und das daraus resultierende soziale Drama rund um die polyamourösen Protagonisten. Das oft noch tabuisierte Thema der Liebesbeziehung von mehr als zwei Partnern wird hier feinfühlig an den Zuschauer herangetragen. Luke Evans, Rebecca Hall und Bella Heathcote verkörpern mit viel Gefühl und Können eine turbulente, gut inszenierte und nur selten langatmige Liebesgeschichte. Auch mit Liebesszenen und Themen rund um die Erotik wird nicht gespart – kein Film für die ganze Familie. Dazu kommt das ständige Ringen mit den strikten Normen der Gesellschaft – der Film verlangt vom Zuschauer über seine eigene Definition von „Liebe“ nachzudenken. Weniger stark beleuchtet wird das Zusammenleben der Drei als Paar und als Familie. Zum Beispiel rätselt der Zuschauer bis zum Schluss, was die Kinder über die Beziehung ihrer drei Elternteile wissen und denken. Hierzu bleibt anzumerken, dass Marstons Nachfahren – welche nicht in die Filmarbeiten mit einbezogen wurden – Zweifel an der Liebesbeziehung zwischen Elizabeth und Olive haben. Für sie seien die beiden zeitlebens „wie Schwestern“ gewesen.
Katharina Schmidt (academicworld.net)
Professor Marston and the Wonder Women
Regie: Angela Robinson
Darsteller: Luke Evans, Rebecca Hall, Bella Heathcote
Deutscher Kinostart: 2. November 2017 im Verleih von Sony Pictures.