Sölva ist die Tochter des Hetmannes Morwa. Dieser bekommt Ildris geschenkt, eine magisch begabte, dunkelhäutige Frau, die seine Männer auf einem Raubzug erbeutet haben. Sie wiederum ist die Schwester von Leyken, die sich auf der Suche nach ihrer Schwester in die Rabenstadt aufgemacht hat. Nur Pol ist scheinbar völlig losgelöst von allen anderen: Er lebt in Carcosa, die Stadt, in der ein zerlumpter Prediger sein Unwesen treibt – und von einem neuen Mitgleid der Stadtverwaltung plötzlich gefördert wird. Denn der hat erkannt, dass „die Vergessenen Götter zürnen“. Pol ist ein kleiner Dieb, Sohn eines unbekannten Mannes und als ein per Kaiserschnitt zur Welt gekommenes Kind kein auf natürliche Art geborener Mensch. Daher denken der Prediger und sein Mitverschwörer, dass Pol derjenige aus einer alten Prophezeiung ist, der sich auf eine lange Wanderschaft zu einem bestimmten Ort begeben muss, um die Vergessenen Götter um Verzeihung zu bitten. Während all dies sich langsam in Bewegung sitzt, ahnen auch Menschen jenseits der Stadtgrenzen, dass sich eine große Dunkelheit nähert. Deswegen eben versucht Morwa, alle Stämme der Umgebung unter sich zu vereinen. Doch seine Tage nähern sich dem Ende und er hat 4 Söhne, die um seine Krone wetteifern werden. In seinem Kriegstross reist eine seiner unehelichen Töchter mit. Sölva ist ein aufgewecktes, junges Ding, die von der unbekannten Ildris magisch angezogen wird – bis sie eine ebenso magische gedankliche Verbindung eingehen. Durch sie weiß Sölva mehr, als eine uneheliche Tochter jemals über die Geschäfte des Königs wissen sollte. Noch dazu, als sie ein Gespräch von mysteriösen Verschwörern belauscht. Doch bevor irgendjemand etwas unternehmen kann, steht die Dunkelheit schon vor den müden Resten des einst stolzen Kriegstrosses …
Die Kritik
Es finden sich einige nordische Elemente in dieser neuen Fantasywelt, was anfangs Wikinger-ähnliche Krieger vemuten lässt. Für Morwa und seine Recken trifft das auch zu, doch die restlichen Bevölkerungsgruppen sind allein ethnisch weit vielfältiger. Da an einigen Stellen immer wieder von einer alten Welt gesprochen wird, fragt man sich bisweilen, ob es sich wohl um eine Dystopie handelt? Die Karte im Umschlag erinnert vielleicht etwas an Spanien oder Frankreichs Küstenlinie, doch im Endeffekt bleibt die Frage unbeantwortet.
Es gibt vier Hauptcharaktere, die der Autor mit einem Kapitel nach dem anderen einführt. Durch den zahlreichen Wechsel zwischen den Personen ist es nicht immer leicht, der Handlung umgehend zu folgen. Noch dazu sind sie sehr eigenwillig – an sich gut – und sehr unterschiedlich – auch gut. Insgesamt ist das Buch dennoch etwas herausfordernd, weil sie noch dazu in einer verzwickten Gesellschaft leben – in einem Land, in dem sich auch der Leser erst heimisch fühlen muss. Wie alles miteinander zusammenhängt, ergibt sich Stück für Stück. Damit ist es ein Buch, das man am besten mit Konzentration liest und nicht einfach nebenher einige Seiten im Bus oder unterwegs.
Inhaltlich ist es sehr spannend. Gerade die Frage, welche Dunkelheit sich da nähert, wie sich das zeigen und auswirken wird, hält den Leser permanent bei Laune und Stange. Dazu kommen die großen Entscheidungen auf dem persönlichen Level: Wer wird Sölves Reise beeinflussen? Denn als uneheliche Tochter hat sie bei ihrem Schicksal wenig mitzureden. Was geschieht mit Leyken und ihrer Schwester? Geistig miteinander verbunden, sind sie geographisch weit voneinander entfernt. Dieses Fragespiel ergibt sich bei fast allen Charakteren, ob nun Hauptperson oder nicht. Eine weitere offene Frage ist die nach der angeblich sterbenden Esche – sie ist es, in deren Zweige sich die Rabenstadt und damit Leyken befindet. Ist sie der klassische Weltenbaum aus den nordischen Sagen? Ist die wie der magische Baum aus den Shannara-Chroniken, der ja auch von einer Krankheit befallen wird und im Sterben sämtliche Dämonen dieser Welt auf die Völker loslässt?
Eines ist klar: Schreiben kann Stephan M. Rother definitiv. Er zeichnet kräftige Bilder, ohne den Leser in endlosen Monologen festzuhalten. Seine neue Welt ist komplex, aber nicht zu kompliziert. Es gibt immer wieder Bewegung in seiner Handlung, sodass sich die Geschichte spannend und glaubwürdig weiterentwickelt. Seine Charaktere sind bei Weitem nicht perfekt – in einer Zeit, in der Buchläden, Abteilung Belletristik gefühlt zu 50 Prozent aus Krimis und 40 Prozent „Die 16-Jährige x stellt überraschend fest, dass …“-Büchern besteht, eine absolute Wohltat ist.
Bei so vielen offenen Fragen ist es letztendlich wenig verwunderlich, dass man sich nach der letzten Seite doch sehr auf das zweite Buch freut. Klug gemacht ist natürlich, dass das Erscheinungsdatum bereits feststeht – ab dem 27. März 2018 geht es weiter.
Fazit: Wer Fantasy mag, aber mal Lust auf eine elegant erzählte, dezentere Geschichte hat, die nicht so kompliziert wie Game of Thrones ist, sollte sich „Ein Reif von Eisen“ unbedingt zu Gemüte führen.
Bettina Riedel (academicworld.net)
Stephan M. Rother. Die Königschroniken – Ein Reif von Eisen.
rowohlt Polaris. 14,99 Euro.