Der Adel des viktorianischen Englands hat ein massives Problem: Das Geld ist alle, der Besitz groß und die Instandhaltung sehr kostenintensiv. Auch Greshamsbury nahe des gleichnamigen Dorfes ist ein solcher Besitz und die Bewohner, Familie Gresham, in argen Geldnöten. Anstatt sich zu sanieren und Ausgaben einzuschränken, wurde munter weiter Geld ausgegeben und Kredite aufgenommen – bei einem bürgerlichen Emporkömmling, Sir Roger. Dem gehören nun neun Zehntel des gesamten Besitzes. Damit hat er die gesamte Familie im Griff, was ihre finanzielle und gesellschaftliche Zukunft betrifft. Sein Erbe ist ein genauso rauer und versoffener junger Mann, dessen Entscheidungen mehr der Wut in seinem Bauch entspringen. Die Greshams können sich diesem Zwang nur entziehen, wenn sie ihre Kinder reich verheiraten: Ausgerechnet der Erbe Frank aber verliebt sich in die mittellose Nichte des Doctor Thorne aus dem kleinen Dorf Greshamsbury.
Ihre wahre Herkunft wird wie ein dunkles Geheimnis gehütet und Geld bringt sie auch keines mit. Grund genug für Franks Mutter, Lady Arabella, den jungen Liebenden so viele Striche wie möglich durch die Rechnung zu machen. Womit sie aber nicht rechnet, ist die Beharrlichkeit dieser Generation: Die lässt auf der einen Seite die alten Sitten und gesellschaftlichen Regeln fallen und stellt allmählich das persönliche Lebensglück über das Streben nach Geld.
Die Kritik
Womit die ältere Generation des englischen Adels nie gerechnet hätte und nun damit klarkommen muss, ist die Öffnung des Adels gegenüber den etwas elitäreren Bürgerfamilien. Oder wie man es auch nennen mag: Die Verheiratung der eigenen Kinder an möglichst reiche Menschen – um das eigene Luxusleben weiterzuführen, komme, was wolle. Da heuchelt die Mutter Tränen, großes seelisches Leiden und arbeitet mit jedem Mittel auf die Erhaltung ihres Lebensstandards hin und schmeißt mit allergrößter Selbstverständlichkeit das Glück ihrer Kinder über Bord. Das wird so schmerzhaft deutlich dargestellt, dass man nicht umhin kommt, sich zu fragen, wieso: Weil sie so erzogen wurden und es gar nicht anders kennen. Der Kampf der alten gegen die neue Generation ist ein typisches Thema der Literatur aus dieser Schaffens- und Spielzeit.
Geschrieben wurde das Buch von Anthony Trollope, zu einer Serie umgearbeitet wurde es von Julian Fellowe. Der hat jede Menge Erfahrung aus der Serie „Downton Abbey“ und gibt in stilvoller Atmosphäre vor jeder Folge eine kleine Zusammenfassung sowie Einbettung in den gesellschaftlichen Kontext. Optisch hat er die Serie zu einem kleinen Opus verarbeitet – der Verbrauch von frischen Blumen im Haar aller Frauen muss enorm gewesen sein. Hübsch anzuschauen ist es allemal.
Das Ende ist sensationell unterhaltsam. Wer das Leben und Leiden der jungen Mary über 3.5 Folgen hinweg beobachtet hat, bekommt eine Reaktion von Lady Arabella präsentiert, die man so nie erwartet hätte. Man möchte sich ihrem Mann anschließen und vor Lachen platzen. Diese Zeilen sind übrigens kein Spoiler, denn wie es ausgeht, ist von Anfang an kein Geheimnis – die Buchvorlage folgt typischen Meilensteinen in der Handlung eines Liebesromans der damaligen Zeit, daher liegt der Fokus der Geschichte eher darauf, was sozusagen unterwegs alles passiert. Natürlich gibt es auch die eine oder andere Person, für die es nicht gut ausgeht – dann ist aber auch klar, wieso. Insofern versuchte das Buch sogar, eine Art Ratgeber für die damalige Leserschaft zu sein. Ob sich für heute noch ein Ratschlag ableiten lässt? Womöglich schon, er dürfte in die Richtung „Hör nicht auf den Tratsch und beteilige dich nicht daran“ lauten.
Das Fazit? Eine sanfte, unterhaltsame Kurzserie mit vier Folgen, die dem Auge und dem eigenen Wunsch nach einem Happy End schmeicheln. Gesellschaftskritik würde ich weniger unterstellen denn einfach eine Darstellung der damaligen Situation, der sich der Adel ausgesetzt sah. Eine unterhaltsame udn zauberhafte Serie für kühle Abende.
Bettina Riedel (academicworld.net)
Doctor Thorne
4 Episoden
Seit dem 16. März auf DVD und BluRay im Vertrieb von capelight im Handel erhältlich.