Chiron ist ein kleiner, unscheinbarer Junge und wird von allen nur „Little“ genannt – halb spöttisch, halb akkurat. Er ist der Typ, der sich nicht wehrt gegen die Schläger, mit einer wachen, zwischenmenschlichen Intelligenz, dem man jederzeit eine Karriere in Naturwissenschaften oder IT zutrauen würde – wenn er sich denn von seiner Herkunft und seinen gesellschaftlichen Zwängen befreien könnte. Doch bevor es dazu kommt, verwickelt er sich darin noch tiefer, als der Drogendealer Juan ihn quasi adoptiert und zu seinem Mentor wird. Doch es kommt, wie es kommen muss: Drogendealer leben nicht lang, Juan stirbt mitten in Chirons Teenagerzeit. Seine Mutter hat sich zu einem hardcore Junkie gewandelt und in der Schule läuft es alles andere als rund: Nicht nur entwickelt er Gefühle für seinen Kumpel Kevin, ihm wird immer mehr von den Schlägern zugesetzt – bis er sich wehrt und damit sein Leben in feste Spuren fährt, aus denen er nicht wieder entkommen wird.
Die Kritik
Was ist das große Motiv des Films? das bleibt ein wenig mysteriös, wenn nicht sogar nebulös. Wir folgen einem ganz normalen Leben, das eines Jungen, der in Miami heranwächst und sich den gleichen Fragen stellen muss wie jeder andere auch: Wohin gehöre ich? Was will ich mit meinem Leben anfangen? Wo ist mein Platz im Leben? Je nach Alter von Chiron sind es natürlich andere Fragen. Entsprechend ist der Film auch in 3 Kapitel eingeteilt, die die wichtigsten Ereignisse in Chirons Leben porträtieren. Der springende Punkt basiert meines Erachtens auf zwei Szenen: Die, in der er Juan fragt, ob er ein Dealer ist, ob seine Mama Drogen nimmt und anschließend schweigend den Tisch verlässt – und die, in der der Zuschauer erkennt, dass Chiron genau das geworden ist, was er als Kind so verabscheut hat. Wieso? Wäre es nicht ein Leichtes, einfach einen anderen Job anzunehmen und das kriminelle Umfeld zu verlassen? Muss man sich als Drogendealer unbedingt goldene Clip-In-Zähne machen lassen?
Dass der Film ein Oscar-Preisträger ist, kommt nicht von ungefähr. Hier wird nichts beschönigt, aber auch nicht maßlos übertrieben. Wie das Leben selbst auch, hat die Stadt schöne und hässliche Seiten, gibt es Freunde und Feinde und manchmal verschwimmt die Grenze dazwischen. Definitiv kein feel good-movie, der innerlich bewegt, nachdenklich macht, aber nicht bodenlos traurig macht. Chiron steht für die vielen von der Gesellschaft vergessenen Menschen, die in einer Parallelversion davon aufwachsen und einfach nirgendwo auftauchen. Schon gar nicht in dem offiziellen Stadtbild von Miami, bei dem man zuallererst an Strand, Parties und Haie in den Everglades denken mag. Genau so ergeht es Chiron, wie man bei einem letzten Date mit Kevin erfährt: Der Muskelprotz hat sich sein Gangsterleben aus reinem Selbstschutz aufgebaut, mehr Scheind als Sein als Lebensweisheit, so lange man seinen wahren Platz im Leben nicht finden kann.
Ich kann die Euphorie rund um MOONLIGHT zwar nicht ganz teilen, finde den Film aber sehr gut gelungen und geben eine klare seht-ihn-euch-an-Empfehlung ab!
Bettina Riedel (academicworld.net)
Moonlight
Ab dem 28. August auf DVD und BluRay im Vertrieb von DCM fürs Heimkino erhältlich!