Angelika W. (25) aus Hamburg schreibt uns: Nach meinem BWL-Studium habe ich einen Traineeship begonnen. Das Arbeitsklima unter den Kollegen ist super und die Arbeit macht mir Spaß. Anders sieht das Verhältnis zwischen Chef und Mitarbeitern aus. Wir bekommen für unseren Einsatz nur wenig Anerkennung. Ich bin neu in der Firma und habe Angst meinen Job zu verlieren, wenn ich Kritik gegenüber meinem Chef äußere. Wie soll ich mit dem Konflikt umgehen?
Die erste Hürde ist schon geschafft, das Klima unter den Mitarbeitern ist super! Wie klappt es auch mit dem Chef? Gerade Berufseinsteiger gehen Konflikten, insbesondere mit dem Chef, eher aus dem Weg. Verständlich, denn sie schauen sich erst einmal an, wie man im Unternehmen Konflikte angeht und löst. Schwierig wird es, wenn Mitarbeiter Konflikten lieber aus dem Weg gehen und sich beispielsweise mit Überstunden und der wenigen Anerkennung arrangiert haben. Wenn die vorherrschende Streitkultur eher Streitvermeidung ist, dann kann eine Veränderung langwierig sein. Generell sind Auseinandersetzungen und eine positive Streitkultur wichtig für Unternehmen, denn durch Konflikte können sich Unternehmen weiterentwickeln, sie erhalten neue Sichtweisen, können kreative Lösungen finden und sich verändern. Eine hohe Unzufriedenheit im Unternehmen führt oft zu inneren Kündigungen, was sich schlecht auf das Arbeitsklima auswirkt. Die Motivation und Produktivität der Mitarbeiter leidet und die Unternehmen verlieren an Leistungsstärke. Soll ich meinem Chef auf die Unstimmigkeiten überhaupt ansprechen oder ist es nicht besser, den Ärger herunter zu schlucken? Viele Mitarbeiter haben Angst vor einer Auseinandersetzung, weil sie überzeugt sind, dass Streit mit dem Chef der Karriere schadet.
Konflikte konstruktiv ansprechen
Generell ist es gut, wenn man Konflikte anspricht. Bevor man das Gespräch unter vier Augen sucht, sollte man auf jeden Fall reflektieren, ob die Kritik wirklich angemessen ist. Insbesondere ist es wichtig, dass man die Regeln einer positiven und konstruktiven Aussprache beachtet. Vorgesetzte erhalten oft wenig bis gar kein Feedback, weil viele Mitarbeiter sich nicht trauen, ihrem Chef die eigenen Wünsche und Unstimmigkeiten mitzuteilen. Dabei kann der Chef seinen Mitarbeitern die Forderungen und Wünsche nicht von den Augen ablesen und fällt manchmal aus allen Wolken wenn sich dann endlich mal jemand traut. Ist sich der Chef in diesem Fall der Unzufriedenheit seiner Mitarbeiter bewusst? Ist er es nicht, dann kann man den Konflikt konstruktiv ansprechen und genau schildern, was einen stört und was man sich wünscht. Konflikte konstruktiv anzusprechen ist schwierig und erfordert viel kommunikative Kompetenz.
Wichtig ist es, nicht zu bewerten und auch nicht zu verallgemeinern. Durch Bewertungen erzeugt man oft negative Gefühle, zum Beispiel: „Sie verlangen von uns laufend Überstunden.“ Besser ist: „Ich habe in den letzten vier Woche insgesamt 40 Überstunden gemacht, …“. Bleiben Sie konkret und bringen Sie keine eigene Interpretation oder Wertung in das Gespräch. Beschreiben Sie jetzt, welche Auswirkung und Gefühle diese Situation auf Sie hat. Sie wollen damit um Verständnis werben und ein Entgegenkommen erreichen. „Für mich heißt das, dass ich meinem Sport, den ich zum Ausgleich für die Arbeit benötige nicht mehr nachkommen kann. Das belastet mich, weil …“. Zeigen Sie hier auch Engagement, schließlich wollen Sie nicht als Drückeberger oder Faulpelz wahrgenommen werden. „Mir ist klar, dass immer mal wieder Überstunden notwendig sind, mich belasten insbesondere die kontinuierlichen Überstunden und darüber möchte ich mit Ihnen sprechen und eine Lösung finden.“ Sprechen Sie nur für sich und nicht für das ganze Team. Das baut unnötig Druck auf und hilft Ihnen nicht bei der Lösungssuche.
Gemeinsam nach einer Lösung suchen
Um eine gemeinsame Lösung zu finden, ist es wichtig, den Gesprächspartner nach seiner Meinung zu fragen: „Wie sehen Sie die Situation?“ Nachdem beide Standpunkte klar sind, können Sie gemeinsam eine Lösung suchen. Äußern Sie Ihre Wünsche und seien Sie für die der anderen Seite offen: „Ich wünsche mir, dass die Anzahl der Überstunden weniger wird oder wir eine Regelung für einen zeitlichen Ausgleich finden.“ Bei den Lösungen können Sie Alternativen anbieten – das zeigt dem anderen, dass Sie lösungsorientiert agieren. Ganz wichtig ist es, nicht auf dem Problem zu verharren und einen Schuldigen zu suchen, denn diese Rolle will keiner gerne übernehmen.
Fokussieren Sie sich auf eine gemeinsame Lösung und diese erhalten Sie nur, wenn Sie den Standpunkt des anderen kennen. Zeigen Sie dabei Engagement. Sollte dem Chef klar sein, dass es einen Konflikt zum Thema Arbeitszeiten gibt und er diesen nicht klären möchte, dann ist die Situation schon schwieriger. Der Konfliktforscher Friedrich Glasl hat neun Konfliktstufen definiert. Nur in den ersten drei Stufen ist eine konstruktive Lösung möglich, die die Konfliktparteien alleine bewältigen können. Danach können sie durch einen neutralen Vermittler und ab der siebten Stufe nur noch durch Macht von außen gelöst werden. Das zeigt, wie wichtig es ist, Konflikte frühzeitig anzusprechen.
Perspektivwechsel für ein besseres Verständnis
Wenn der Konflikt bereits sehr verhärtet ist, dann ist eine Lösung fast nur mit einem unabhängigen Vermittler möglich oder eine Eskalation auf die nächste Hierarchiestufe. Um mit der eingefahrenen Situation besser zurecht zu kommen, kann ein Perspektivwechsel helfen. Dadurch entschärft die Situation sich oft, weil Sie ein besseres Verständnis für die andere Seite bekommen. Wenn Sie hier zum Beispiel erkennen, dass der Chef seine Anweisung von oben bekommt, dann ist Ihr Ärger oft nicht mehr so stark. Die Mitarbeiter sind über die fehlende Anerkennung unzufrieden. Wenn der Chef sich generell mit Anerkennung schwer tut, dann hat das oft nicht mit fehlender Wertschätzung zu tun, sondern mit seinem Persönlichkeitsstil. Vielleicht hat Anerkennung in seinen Werten und Glaubenssätzen keine große Bedeutung und deswegen verteilt er auch keine. Dadurch bemerkt er manchmal nicht, dass Anerkennung für die Motivation seiner Mitarbeiter wichtig ist. Wenn Ihnen das bewusst wird, dann fühlen Sie sich selbst nicht mehr so zurückgesetzt.
Fragen Sie doch einfach mal den Chef, wie er den Bericht von Ihnen fand oder die Präsentation. Vielleicht sind Sie ja überrascht, wenn er sagt: „Sehr gut, das wissen Sie doch…“ Falls hier nur negatives Feedback kommt, dann können Sie das Gesagte spiegeln und sagen: „Puh. alles falsch gemacht, das ist hart.“ Entweder er widerspricht oder Sie können nochmal genau nachfragen, was ihm nicht gefallen hat und das dann ändern. Dann gehen Sie wieder hin und lassen sich Feedback geben. Alternativ können sie auch aktiv nach positivem Feedback fragen: „Was fanden Sie gut? Gibt es auch einen positiven Aspekt?“
Viola Moritz ist Business-Trainerin und Kommunikationstrainerin. Sie studierte BWL und Erwachsenenbildung und hat weitere Ausbildungen als Trainerin. Sie bietet Inhouse Seminare und offene Seminare zu den Themen Konfliktmanagement, Kommunikation und Gesprächsführung, Moderation und Präsentation an. Weitere Informationen zu ihrer Person und den Seminaren unter www.moritz-seminare.de.
Stand: Juli 2016