Bei Heraeus haben unter anderem zwei promovierte Ingenieurinnen bewiesen, dass auch Frauen in technischen Berufen Karriere machen können. Dr. Muriel Thomas, Leiterin des Start-ups Material Systems bei Heraeus Electronics und Dr. Lotta Gaab, Leiterin Material- und Neuentwicklungen bei Heraeus Noblelight, berichten im Interview über ihre Erfahrungen in leitenden Positionen in einem der größten Technologieunternehmen Deutschlands.
Schon in meiner Schulzeit habe ich mich sehr für Naturwissenschaften interessiert. Und nachdem ich mein Baccalauréat in Naturwissenschaften absolviert habe, war die Studienwahl eigentlich klar. Wichtig war mir zudem ein praxisnahes Studium. Auf Werkstoffwissenschaften kam ich zufällig: Ich suchte nach einer Ingenieurschule, die ein Auslandsstudium anbot. Dieses Angebot gab es nur in Kombination mit Werkstoffwissenschaften.
Sie sind gebürtige Französin und haben Ihr Studium in Frankreich und Deutschland abgeschlossen. Inwiefern hat sich der doppelte Abschluss auf Ihre Karriere ausgewirkt? Fachlich macht es keinen Unterschied, ob man sein Studium in Frankreich oder in Deutschland abschließt. Aber der doppelte Abschluss ist ein Differenzierungsmerkmal im Lebenslauf, der meine Karriere sicherlich positiv beeinflusst hat: Ich habe mir die vielen Fachbegriffe in der Fremdsprache bereits im Studium angeeignet, außerdem habe ich im Studium viel über die deutsche Kultur gelernt. Mit diesen Voraussetzungen habe ich mich problemlos bei meinen deutschen Arbeitgebern integrieren können.
Sie leiten das Start-up Material Systems bei Heraeus Electronics. An welchen Themen arbeiten Sie gerade?
Unser Ziel ist es, Heraeus Electronics neu zu positionieren. Traditionell sind wir als Materialexperten für die Aufbau- und Verbindungstechnik bekannt. Wir wollen uns aber zu einem Lösungsanbieter für Leistungselektronik entwickeln. Dieses Ziel erreichen wir, indem wir unser Materialportfolio vervollständigen und innovative Kombinationen aufeinander abgestimmter Materialien entwickeln.
Haben Sie das Gefühl, dass es für Sie als Frau besonders schwierig war, in eine Führungsposition zu gelangen?
Nein, absolut nicht. Bei Heraeus spüre ich keinerlei Nachteile, nur weil ich weiblich bin. Im Gegenteil: Viele meiner männlichen Vorgesetzten und Kollegen haben schnell erkannt, dass Frauen in der Hierarchie wertvoll sind, weil sie ihre und die Team-Ziele anders erreichen als Männer – oft mit mehr emotionaler Intelligenz. Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Frauen selbstbewusst präsentieren und ihre Kompetenz ausstrahlen, dann erhalten sie die verdiente Anerkennung und werden gegebenenfalls befördert.
Haben Sie Familie? Wie vereinen Sie diese mit Ihrem Beruf?
Ich habe eine achtjährige Tochter und arbeite Vollzeit. Das klappt prima, weil Heraeus flexible Arbeitsbedingungen ermöglicht. Wenn beispielsweise meine Tochter krank ist, arbeite ich im Home Office. Hier kann ich meine Arbeitszeit auf den Tag so verteilen, wie es am besten passt. Natürlich unterstützt mich auch mein Mann, indem wir uns Aufgaben teilen, die Zuhause anfallen. Meine Freizeit widme ich zu hundert Prozent meiner Familie.
Welche Eigenschaften oder Soft Skills sind wichtig, um den Aufgaben Ihrer Position gewachsen zu sein?
Neben dem langfristigen, strategischen Denken sind das vor allem kommunikative Aufgaben. Zum einen muss ich den Pioniergeist meiner Mitarbeiter hegen und pflegen, und ihnen die Unsicherheiten in einem sich wandelnden Umfeld nehmen. Zum anderen muss ich der Geschäftsführung gegenüber transparent und glaubwürdig kommunizieren. Das können stetig kleine Erfolge auf dem Weg zum Ziel sein, aber auch mal eine Erklärung, vor welchem Problem wir stehen, wenn es einmal nicht so flott weitergeht. Damit behalte ich das Vertrauen meiner Vorgesetzten und der Start-up Sponsoren – und unser Projekt läuft weiter.
Wenn Sie einen Blick auf Ihre Karriere werfen – gibt es etwas, dass Sie anders gemacht hätten?
Nein, es gibt Erfolge, es gibt Niederlagen. Und auch wenn Dinge einmal nicht so gut gelaufen sind, habe ich daraus gelernt. Es waren wichtige Lernschritte auf dem Weg zum Erfolg.
Ich hatte in der neunten Klasse einen guten Chemielehrer, der mein Interesse für Naturwissenschaften geweckt hat. In meinem Abiturjahr hat dann ein Schnuppertag für den MINT-Bereich der TU Darmstadt den entscheidenden Ausschlag gegeben: Materialwissenschaften haben mich besonders angesprochen, weil es sich um ein interdisziplinäres Fach mit Inhalten aus der Chemie, Physik und Mathematik handelt.
Wie sind Sie auf Heraeus aufmerksam geworden?
Nach meinem Studium und der Promotion im Bereich Produktionstechnik habe ich mich ganz bewusst für Heraeus als Arbeitgeber entschieden. Während das Thema Materialwissenschaften für viele Unternehmen noch immer ein Fremdwort ist, war Heraeus auf diesem Gebiet schon sehr früh sehr weit.
Inwiefern war Ihre Promotion für Ihre Karriere wichtig?
Ich habe während meiner Promotion gelernt, Themen zu vertiefen und mir selbstständig Wissen anzueignen. Man kann seinen Weg sicherlich auch ohne Promotion gehen. Aber generell glaube ich, dass eine Promotion die Karrierechancen langfristig erhöhen kann. Und gerade als Berufsanfängerin in einer männerdominierten Branche hat sich der ,Dr.’ vor dem Namen schon als hilfreich erwiesen.
Könnten Sie Ihren Einstieg bei Heraeus beschreiben? Welche Schwierigkeiten gab es, was fiel Ihnen leicht?
Mir fiel der Einstieg in meiner Abteilung, die heterogen und interdisziplinär ausgeprägt ist, leicht, da ich einen guten Chef und tolle Kollegen hatte. Es hat allerdings eine gewisse Zeit gedauert, mich in der breiten Produktpalette zurechtzufinden und über die einzelnen Global Business Units und Abteilungen hinweg ein Netzwerk aufzubauen.
Sie haben zunächst als Projektleiterin in der Abteilung für Innovation Infrarot-Prozesstechnik gearbeitet. Welche Projekte werden in dieser Abteilung durchgeführt?
Als Projektleiterin habe ich mich mit industriellen Heizprozessen beschäftigt. In dieser Funktion habe ich verschiedene Materialien untersucht, die für die Herstellung von Infrarotstrahlern nützlich sein könnten. Meine Aufgabe war, zu prüfen: Welche Alternativen gibt es, um die Herstellungskosten zu reduzieren, aber gleichzeitig die Lebensdauer zu verlängern und die Leistung zu erhöhen? Was gefällt Ihnen an diesem Bereich? Es steckt weit mehr dahinter, als es auf den ersten Blick scheint. Wir sind kein reiner Strahlerhersteller, sondern bieten Lösungen an. Das setzt voraus, dass wir die Prozesse des Kunden verstehen.
Wie würden Sie die Situation für Frauen bei Heraeus beschreiben?
In unserer Abteilung arbeiten von zehn Personen vier Frauen. Das ist ein sehr gutes Verhältnis, ist aber weder branchentypisch, noch Heraeus-typisch. Da die Zahlen der Absolventinnen in den MINT-Bereichen seit einigen Jahren steigen, bin ich gespannt, wann sich das in den Unternehmen auch in den höheren Ebenen bemerkbar macht. Heraeus legt Frauen keine Steine in den Weg. Seit einigen Jahren ist Heraeus Mitglied und Sponsor des hessischen MentorinnenNetzwerks. Das ist eine Initiative, in der Studentinnen oder Doktorandinnen aus einem MINT-Studiengang eine Mitarbeiterin aus der Industrie an die Seite gestellt bekommen. Heraeus investiert damit in seine eigene Zukunft.
Was könnten Schulen und Unis machen, um mehr Frauen für diese Branche zu begeistern?
Den Schnuppertag der TU Darmstadt fand ich sehr interessant und hilfreich, denn es gibt gerade in den MINT-Berufen Studienfächer, mit denen man als Schülerin nicht in Berührung kommt. Außerdem ist es wichtig, die zukünftigen Studentinnen – und Studenten genauso übrigens – abzuholen. Das heißt, sie umfassend zu informieren und Interesse zu wecken. Und letztlich sollten LehrerInnen überlegen, mit welchen didaktischen Mitteln sie vermeintlich schweren Stoff anschaulich vermitteln können – in Naturwissenschaften sind Frauen genauso geeignet wie Männer.
Stellenangebote und weitere Informationen zu Heraeus findet ihr auch unter
https://www.heraeus.com/de/group/careers/overview/careers.aspx
Stand: Juli 2016