Die britische Mathematikerin Ada Lovelace hat bereits vor etwa 200 Jahren bewiesen, dass Frauen sehr wohl einen Platz in MINT-Berufen haben. Im exklusiven Interview mit academicworld.net erläutert Carolin de Lorenzi vom IT-Dienstleister Computacenter, wie sich Frauen in der bis heute männerdominierten Branche behaupten können.
Vor rund 200 Jahren wurde Ada Lovelace geboren. Die britische Mathematikerin gilt als erste Programmiererin weltweit: sie schrieb ein Programm für den nie fertiggestellten mechanischen Computer „Analytical Engine“. Darin nahm sie wesentliche Aspekte späterer Programmiersprachen vorweg. Zur Zeit von Ada Lovelace waren Frauen in MINT-Berufen die absolute Ausnahme. Seitdem hat sich zwar viel verändert, doch noch immer sind Frauen in der IT die Ausnahme. Und das, obwohl die Branche viele Karrieremöglichkeiten und sichere Jobs bietet. Eine dieser Ausnahmen ist Carolin de Lorenzi: Die 45-Jährige arbeitet seit rund 20 Jahren beim IT-Dienstleister Computacenter und ist mehr als zufrieden mit ihrer Jobwahl.
Frau de Lorenzi, warum haben Sie sich für die IT-Branche entschieden?
Eindeutig wegen der Menschen. Ich habe bereits sehr früh erlebt, wie offen, kreativ und engagiert die Mitarbeiter hier sind. Und besonders groß ist ihre Bereitschaft, sich weiter zu entwickeln und Neues zu lernen. Unter diesen Voraussetzungen lässt es sich super im Team zusammenarbeiten, und das ist für mich das Wichtigste.
Ada Lovelace hatte Mathematik studiert, galt als Ausnahmetalent und trotzdem wurde ihr die richtige Karriere verweigert. Was müssen junge Nachwuchstalente heutzutage mitbringen, um die Karriereleiter zu erklimmen?
Drei Grundvoraussetzungen sollten junge Talente mitbringen: Offenheit, Kommunikationsvermögen und Umsetzungsstärke – der Rest lässt sich lernen.
Was können junge Berufseinsteigerinnen heute noch von Ada Lovelace lernen?
Über Ada Lovelace wird geschrieben, dass sie schon früh ihrem naturwissenschaftlichen Interesse gefolgt ist – auch wenn sie damit gegen damals gängige Konventionen verstieß – und die Nähe zu Gleichgesinnten gesucht hat. Das sind zwei bis heute sehr zentrale Aspekte: Echtes Interesse und ein gutes Netzwerk. Denn unabhängig davon, was vielleicht Lehrer, Verwandte, Freunde und Bekannte sagen, sollte man sich für einen Beruf entscheiden, der einem wirklich liegt und vor allem auch Spaß macht. Dann wird man nicht nur erfolgreich, sondern vor allem auch zufrieden sein.
Wie haben Sie – als Frau – den Einstieg in den sehr männerdominierten Beruf erlebt?
Eigentlich habe ich weder den Einstieg noch die folgenden Jahre als schwierig erlebt. Bei uns im Unternehmen geht es in erster Linie darum, ein Teamplayer zu sein und gute Ergebnisse zu liefern. Ob Mann oder Frau ist dabei kein Thema. Persönlich habe ich immer gute Erfahrungen damit gemacht, mir selbst treu zu bleiben und mein Netzwerk auf- und auszubauen.
Stichwort explizite Frauenförderung: Befürwortet Computacenter diese?
Ja, wir wollen mehr Frauen für unser Unternehmen begeistern und auch die bereits vorhandenen weiblichen Talente gezielt weiterentwickeln, um künftig auch mehr Frauen in Führungspositionen zu haben. Dafür stehe ich in meiner Verantwortung als Women’s Representative – und natürlich auch die vielfältigen Programme und Maßnahmen, die wir ins Leben gerufen haben: Angefangen bei Coaching und Mentoring sowie einer individuellen Karriereförderung bis hin zur Schaffung der erforderlichen Rahmenbedingungen – um Beispiel zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf – die die Chancengleichheit überhaupt erst ermöglichen.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus und was schätzen Sie am meisten daran?
Natürlich gibt es in meinem Job als Sales Director vorgegebene Strukturen und Abläufe. Was ich aber besonders schätze sind die großen Freiheitsgrade, die ich bei der Ausgestaltung meiner Aufgaben habe. So kann ich zu großen Teilen auch bestimmen, wo ich wann arbeite. Natürlich geht das mit den modernen mobilen Lösungen auch super aus dem Home Office. Inhaltlich liegt mir die Arbeit mit meinem Team besonders am Herzen: Ich trage die Verantwortung für 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an unterschiedlichen Standorten sitzen. Sie zu fördern und zu fordern macht mir viel Freude. Und es ist die schönste Belohnung zu sehen, welche Entwicklung gerade die jungen Talente nehmen, die neu im Job sind.
Trotz hervorragender Perspektiven und abwechslungsreicher Aufgaben zieht es im Vergleich zu der Zahl der Uniabschlüsse von Frauen wenige Frauen in die IT. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Ich glaube, das liegt zum Teil noch immer an der Erziehung und den Stereotypen, die in der Gesellschaft herrschen: Jahrzehnte lang hat man Mädchen gesagt, dass sie sprachlich begabter seien als naturwissenschaftlich. Bei der Berufsberatung wurde Frauen häufiger zu Jobs in der Dienstleistung und im sozialen Bereich geraten, als zu MINT-Berufen. Das zu ändern, geht nicht über Nacht und braucht vor allem in den Schulen mehr Nachdruck. Wenn ich mir aber die Generation meiner Teenager-Kinder anschaue, bin ich sehr zuversichtlich, dass die Mädchen heute viel selbstbewusster und offener sind, als das früher der Fall war. Und bis sie im Job sind, ist es unsere Verantwortung, in den Unternehmen eine Kultur der Vielfalt zu schaffen und Frauen besonders zu fördern.
Stand: Herbst 2016