Zuständigkeitsbereiche und Kompetenzen sind in Unternehmen klar verteilt. Das soll die Arbeit erleichtern und bei Entscheidungen entlasten. Aber es verführt uns auch zu Ausreden und dem Weiterschieben von Verantwortung. Ein Appell an unser Zuständigkeitsgefühl.
von Ulf D. Posé, dem Experten für Unternehmens- und Vertriebskultur auf www.academicworld.net
Das Telefon klingelt. Felix hebt ab. Felix ist in der Buchhaltung zuständig für die Rechnungsprüfung. Am anderen Ende der Leitung ist ein Kunde, der etwas bestellen möchte. „Da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen. Das macht der Vertrieb. Ich versuche Sie zu verbinden.“ Er wählt die Nummer des Vertriebs und legt auf. Leider ist die Leitung besetzt. Der Kunde erreicht also niemanden. Felix ist der Überzeugung, alles richtig gemacht zu haben. Er hat den Anruf entgegengenommen und weitergeleitet. Für mehr ist er nicht zuständig. Schließlich ist er nicht die Telefonzentrale.
Aber ist das wirklich so? Richtig ist, Felix ist für Vertriebsaufgaben nicht zuständig. Auch nicht für das Bestellwesen. Man kann ihm also nichts vorwerfen. Er hat im Rahmen seiner Möglichkeiten alles getan, meint er. Jedoch gibt es neben der Zuständigkeit für das Rechnungswesen auch eine Zuständigkeit, die über den konkreten, persönlichen Arbeitsbereich hinausgeht. Es ist die Zuständigkeit für den Gesamterfolg des Unternehmens. Der Kunde bleibt im Gestrüpp der Telefonleitungen hängen. Darum hat sich Felix nicht mehr gekümmert. Dafür meint er, keine Verantwortung zu haben. Es gibt aber für jede Tätigkeit, für jeden Job eine Art Gesamtverantwortung, eine Verantwortung, die, die über seine Zuständigkeit hinausgeht. Er ist verantwortlich dafür, dass der Kunde auch tatsächlich im Vertrieb landet. Er ist verantwortlich dafür zu prüfen, ob er auch weiterverbinden kann, also jemand im Vertrieb auch abhebt. Genau das hat er nicht gemacht.
Zuständigkeit klärt in erster Linie nicht, was jemand tun muss, um einen guten Job zu machen. Zuständigkeit klärt als erstes, wofür jemand verantwortlich ist. Was dann getan werden muss, um dieser Verantwortung gerecht zu werden, ist Sache des Mitarbeiters.
Für Felix bedeutet das: Verantwortung ist nicht teilbar, wer verantwortet, entscheidet, wer entscheidet, verantwortet. Felix hat den Kunden allein gelassen. Falls Felix nicht hätte weiter verbinden können, hätte er dafür sorgen müssen, dass entweder der Vertrieb von dem Anruf erfährt: „Bitte geben Sie mir Ihre Telefonnummer. Im Vertrieb ist gerade besetzt, ich kümmere mich darum, dass Sie zurückgerufen werden.“ Oder er hätte zumindest dem Kunden die Durchwahlnummer des Vertriebs anbieten können.
Leider ist es oft genug so, dass wir Verantwortung delegieren, weil wir uns als nicht zuständig erleben.. Wir finden immer jemanden, der statt uns selbst die Verantwortung trägt. Der Herrgott soll´s richten, die Umstände sind schuld, der Chef, die Märkte, die Kunden. Der Erfolg hat viele Väter, der Misserfolg keinen, der Misserfolg ist ein Waisenkind..
Dabei erlebe ich, dass es Menschen gibt, die Verantwortung wahrnehmen, sich nicht davor drücken, völlig unabhängig von der persönlichen Zuständigkeit. Sie kümmern sich um Dinge nach dem Motto: „Ich bin zwar nicht zuständig, jedoch kann ich nicht sagen, es geht mich nichts an.“ Wer sich wirklich verantwortlich zeigt, der verzichtet zum Beispiel auf die berühmten Ausreden, er versteckt sich nicht. Eine Ausrede ist letztlich nichts anderes als die kleine Schwester der Lüge. Die Ausrede ist bequem, bringt mich aus der Schusslinie, ist jedoch durchaus auch einmal nur höflich. Ausreden, die der Höflichkeit dienen, kann ich jederzeit akzeptieren, Ausreden, die jedoch nur dazu dienen, uns selbst und anderen etwas vorzugaukeln, sind gefährlich. Diese Ausreden sind der Beginn von Lebenslügen. Das fängt genau dann an, wenn wir Probleme nicht lösen, weil wir behaupten, wir könnten nichts daran ändern oder weil wir uns für nicht zuständig erklären. Ausreden sagen meistens, die Schuld tragen die anderen. Dadurch zementiere ich Probleme, statt sie zu lösen.
Wenn wir das Wort ‚Verantwortung‘ uns einmal genau anschauen, dann sehen wir, dass das Wort ‚Antwort‘ darin enthalten ist. Es geht bei der Verantwortung also darum, eine Antwort geben zu können. Und diese Antwort sollte für den Gesprächspartner zufriedenstellend sein. Interessant ist, dass gerade bei Misserfolg Mitarbeiter immer wieder versuchen, Ihrer Verantwortung dadurch auszuweichen, dass sie darüber berichten, was sie alles unternommen haben. Man möge Ihnen doch bitte keinen Vorwurf machen, weil der Erfolg sich nicht eingestellt habe, schließlich haben sie jede Menge unternommen. Das scheint mir der falsche Weg zu sein.
Wir können uns ja einmal fragen, welche Verantwortung bin ich bereit, zu übernehmen? Woran mache ich Verantwortung konkret fest – nur an dem, was ich getan habe oder auch an dem, was durch mein Tun erreicht wurde? Wie entgehe ich den faulen Entschuldigungen oder den Hinweisen auf die Umstände, den Kollegen, der nicht geliefert hat, den Herrgott, der es richten soll, damit ich mich nicht verstecke, sondern solange aktiv bleibe, bis ich ein verwertbares Ergebnis zur Verfügung stellen kann.
Also: Lassen Sie uns Verantwortung auch dann noch zeigen, wenn wir nicht unmittelbar zuständig sind. Das macht uns zu wertvollen Partnern unserer Kunden, Lieferanten, Vorgesetzten, Kollegen.